Länderspiegel Frankens Bauern machen mobil

Matthias Arnold, Herbert Mackert, Michael Donhauser, Burkhard Fraune

Tausende Landwirte gehen auf die Straße, weil sie nicht der Prügelknabe für Umweltverschmutzung und Klimawandel sein wollen. Allein durch Nürnberg rollen am Freitag 2500 Traktoren.

 
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Nürnberg/Berlin - Rund 5000 Bauern mit 2500 Traktoren aus allen Teilen Frankens sind am Freitag in Nürnberg zu einem Großprotest gegen die Agrar- und Umweltpolitik in Deutschland zusammengekommen. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) zeigte bei einer Kundgebung Verständnis für die Wut der Landwirte. "Überall gilt die Unschuldsvermutung, nur bei den Landwirten nicht", sagte Söder. Er spielte damit auf den Ärger der Bauern an, die sich dagegen wehren, als Alleinschuldige für Phänomene wie Insektensterben und Grundwasserbelastung angeprangert zu werden.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) machte den Bauern Mut: "Ihr seid die Ernährer unseres Volkes, hier ist die Fachkompetenz. Ihr seid nicht die Grundwasserverseucher", sagte der Minister. Er forderte eine Aussetzung der geplanten Düngeverordnung, bis das zugrunde liegende Messstellennetz aussagekräftig genug sei. Die Düngeverordnung, die den Eintrag von Mineraldünger reduzieren soll, ist ein Dorn im Auge der Landwirtschaft. Die Bauern befürchten, dass bei Umsetzung der Pläne die Erträge auf den Feldern gemindert würden.

Ministerpräsident Söder sprach sich gegen Hochrechnungen zur Ermittlung von Nitrateinträgen aus. "Solche Entscheidungen müssen aufgrund von Fakten getroffen werden", sagte er. Er stellte den Bauern in Aussicht, die seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" von der Bewirtschaftung frei zu haltenden Gewässerrandstreifen gegebenenfalls neu zu kartieren. Söder hatte für seine Teilnahme an der Kundgebung andere Termine abgesagt.

Der Ministerpräsident will den heimischen Landwirten zudem über die Ernährung von Staatsdienern helfen: In öffentlichen Kantinen sollen mehr Produkte aus dem Freistaat auf den Tisch. "Da muss bayerisch und fränkisch gegessen werden", sagte Söder. "Es kann nicht sein, dass die Nahrungsmittel irgendwann aus dem Ausland importiert werden müssen, die unter den Standards in Bayern produziert werden."

Die Landwirte kritisieren neben der geplanten Verschärfung der Düngeverordnung auch Auswirkungen des Insektenschutzes auf die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe. Eine pauschale Unterversorgung von Pflanzen mit Dünger führe zu Humusabbau im Boden und letztlich höherer CO2-Freisetzung, hieß es in einer Mitteilung der Protestbewegung. Die Landwirtschaft dürfe nicht mehr länger billiger Rohstofflieferant der Lebensmittelindustrie sein. Die Ausrichtung der Produktion auf Weltmarktpreise habe in Europa keine Zukunft.

Die Landwirte waren seit den Morgenstunden in einer Sternfahrt aus allen Himmelsrichtungen mit ihren Fahrzeugen auf Nürnberg zugerollt. Dies hatte teils zu leichten Behinderungen auf den Autobahnen geführt. In Nürnberg sei der Verkehr nur im direkten Umfeld der Veranstaltung behindert worden. "Der Kollaps ist ausgeblieben", sagte ein Polizeisprecher. An der Sternfahrt nach Nürnberg hatten sich nach einer Schätzung der Polizei Landwirte mit rund 2000 Traktoren beteiligt, mehrere Hundert seien aus dem Raum Nürnberg dazugekommen.

Agrar-Organisationen hatten für Freitag bundesweit zu Protesten gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung aufgerufen. Zu großen Demonstrationen kam es unter anderem in Kiel, Hannover, Bremen, Mainz, Dresden und Stuttgart.

Auch zum Start der Grünen Woche in Berlin demonstrierten erneut Tausende Landwirte gegen strengere Umweltschutzregeln der Politik. "Sorry. Aber sonst werden wir nicht gehört", stand auf einem Plakat der Bauern. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) rief Kritiker der Landwirtschaft zum Dialog auf. Sie erinnerte die Verbraucher daran, dass sie durch ihren Einkauf mitentschieden, wie Tiere gehalten und Lebensmittel produziert werden.

Zum Auftakt der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin erreicht die Ernährungsdebatte damit einen Höhepunkt. Kritiker werfen Landwirten immer wieder vor, auf Kosten von Umwelt, Tieren und Klima zu wirtschaften. An diesem Samstag wollen in Berlin mindestens 15.000 Menschen unter dem Motto "Wir haben es satt" auf die Straße gehen. Auf den Plakaten der protestierenden Bauern am Freitag stand: "Mit uns statt gegen uns." Und an die Adresse von Politikern und Städtern: "Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Doch sie wissen alles besser." Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte: "Es gehört dazu, dass die Bauern ihre Sicht und ihren Anspruch deutlich machen. Das muss man aushalten."

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