Länderspiegel Gaffern droht bald Gefängnis

Gertrud Pechmann

Sie fotografieren, sie filmen, sie posten - und machen der Polizei und den Rettungskräften das Leben schwer: Gaffer. Sie sind bei Unfällen und Katastrophen stets mit dabei. Der Staat will ihnen jetzt mit höheren Strafen das Handwerk legen.

 
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Oberfranken - Ob beim jüngsten Auffahrunfall auf der A9 bei Bayreuth oder auf der A6 nahe Nürnberg - die Einsatzkräfte machen immer häufiger folgende Erfahrung: "Wenn die Autobahn gesperrt ist, steigen die Leute aus und schauen sich das Szenario an. Oder sie bremsen mit dem Handy in der Hand so stark ab, dass sie einen Stau oder einen weiteren Unfall provozieren", sagt Bruno Albl, Sprecher der Verkehrspolizei Bayreuth.

Zwar sei das Autofahren mit einem Mobiltelefon in der Hand verboten. Das kann 60 Euro kosten und einen Punkt in der Verkehrssünderkartei in Flensburg geben. Trotzdem seien Bilder von Unfällen oft schneller über die sozialen Netzwerke verbreitet, als die Helfer am Einsatzort sind. Für Bruno Albl ist das "schwierig und ärgerlich". Besonders frustrierend findet er es, wenn er und seine Kollegen während eines Einsatzes "den Stinkefinger oder Vogel gezeigt bekommen". Natürlich kann die Polizei Platzverweise aussprechen und renitente Gaffer dafür notfalls festnehmen. Im Alltag, so der Polizeisprecher, sei aber weder Zeit noch Kraft dafür übrig. Schließlich habe die Polizei bei einem Unfall anderes zu tun, als sich mit rücksichtslosen Schaulustigen abzugeben. Sie kümmere sich um ihre eigentliche Aufgabe: Spurensicherung und Sperrung des Bereichs. Was für die einen eine Rücksichtslosigkeit gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern ist, kann Verletzten die Zeit für lebensrettende Sofortmaßnahmen wegnehmen. "Wir sprechen von der sogenannten goldenen Stunde, in der Verletzte versorgt werden sollten. Das klappt natürlich nur, wenn die Rettungskräfte ungehindert zum Unfallort kommen können", sagt Jürgen Hildebrandt, Sprecher des Allgemeinen Deutschen Automobilclubs (ADAC) Nordbayern.

Tatsache ist, dass zu wenige Autofahrer bei einem Stau daran denken, eine Rettungsgasse zu bilden - obwohl diese gesetzlich vorgeschrieben ist. Aktuell gilt: Bei Stau oder Schrittgeschwindigkeit auf Autobahnen und Straßen mit mindestens zwei Fahrspuren muss zwischen der äußersten linken und dem Fahrstreifen rechts daneben eine freie Gasse gebildet werden. Bei Nichtbeachtung können Autofahrer mit einer Geldbuße von 20 Euro zur Kasse gebeten werden. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will das Bußgeld jetzt kräftig anheben. Er plant für Rettungsgassen-Blockierer einen Regelsatz in Höhe von 55 Euro. Wenn zusätzlich noch eine Behinderung festgestellt wird, soll sich dieser Betrag auf 75 Euro erhöhen, bei einer Gefährdung auf 95 Euro und bei Sachbeschädigung auf 115 Euro. Dazu kommt noch jeweils ein Punkt in Flensburg.

Unabhängig von der Rettungsgasse können Schaulustige, die Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz oder der Rettungsdienst bei ihrer Arbeit stören, künftig härter bestraft werden. Ein neues Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldzahlung von fünf bis 360 Tagessätzen vor. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann erhofft sich von dem neuen Gesetz eine Signalwirkung: "Dort, wo die Vernunft versagt, helfen offenbar nur Strafen." Bayern werde noch im Sommer mobile Sichtschutzwände an besonders unfallgefährdeten Stellen testen, kündigte Herrmann an. Noch muss geklärt werden, wer die Sichtschutzwände zu einer Unfallstelle bringt und sie dort aufbaut. Das könne die Feuerwehr sein oder auch die Straßenmeisterei, sagte Michael Siefener, der stellvertretende Sprecher des bayerischen Innenministeriums.

Praktische Erfahrungen mit Sichtschutz sammelt bereits die Freiwillige Feuerwehr im Landkreis Eichstätt. Seit März sind hier mobile Wände im Einsatz. Jede besteht aus vier Elementen, die binnen Minuten aufgestellt sind. Kreisbrandrat Martin Lackner erklärt, warum die Feuerwehr auf dieses Hilfsmittel setzt: "Wir wollen uns bei einem Unfall intensiv um die betroffenen Menschen kümmern. Dafür braucht es eine geschützte Atmosphäre." Die Sichtschutzwände erfüllten diesen Zweck und hätten sich im Einsatz bewährt.

Der ADAC setzt derweil weiter auf Information. Er gibt mit dem bayerischen Innenministerium das Faltblatt "Eins links - zwei rechts" zur Rettungsgasse heraus. Auf der Rückseite prangt ein Aufkleber mit dem Bild eines solchen Wegs, den sich Autofahrer auf die Scheibe heften können. Außerdem informiert der Automobilclub bei Schulungen schon die jüngsten Verkehrsteilnehmer über die Rettungsgasse: Mit Bobbycars wird ein Unfall nachgestellt und richtiges Verhalten im Straßenverkehr geübt.

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