Hof/Rehau Hof: Integrierter Flüchtling hat Todesangst

Sarah Schmidt
Der evangelische Dekan Günter Saalfrank (v. links), die ehrenamtliche Flüchtlingsbeauftragte Elisabeth Frisch und der Vorsitzende der Flüchtlings-Hilfsorganisation Matteo Stephan Reichel setzen sich für Naser R. ein. Foto: Schmidt

Einem Kirchenvorsteher der Sankt-Michaelis-Kirche in Hof droht in Afghanistan die Todesstrafe: Er ist zum Christentum konvertiert. Der Dekan will gegen den Entscheid vorgehen.

 
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Hof/Rehau - Die Stimmung ist düster, angespannt und emotional, als der evangelische Dekan Günter Saalfrank am Montagvormittag zum Pressegespräch in das Dekanat einlädt. Der Grund des Zusammentreffens ist Naser R., ein Flüchtling aus dem Iran, der im Frühjahr 2016 nach Hof kam. Nun soll der 28-Jährige nach Afghanistan abgeschoben werden, wo dem konvertierten Christen die Todesstrafe droht.

Durch Erzählungen und persönliche Geschichten schaffen es Dekan Günter Saalfrank und die ehrenamtliche Flüchtlingsbeauftragte des Dekanats Hof, Elisabeth Frisch, dass alle Beteiligten Naser R. kennenlernen kännen - ohne dass er selbst anwesend ist. "Wenn es einer verdient hat, hier in Deutschland zu bleiben, dann ist es Naser. Er hat gezeigt, was Integration bedeutet", wiederholt Saalfrank in dem Gespräch immer wieder.

Die Geschichte des Flüchtlings beginnt im Iran, wo er vor seiner Flucht lebte. Seine erste Begegnung mit Gott hat Naser R., als er mit einem Boot von der Türkei nach Griechenland flieht; das erzählte er bei seiner Ankunft in Hof dem Dekan. Gott habe ihm beigestanden, ihm Kraft gegeben und ihn auf dem langen Weg zur Ruhe gebracht. Schon kurz nachdem er in der Saalestadt ankam, zeigte er großes Interesse an der St. Michaeliskirche und dem christlichen Glauben, berichtete Saalfrank weiter. Am 30. Oktober 2016 taufte der Dekan Naser R. in der Kirche am Hofer Maxplatz. Seitdem engagiert er sich ehrenamtlich in der Kirchengemeinde. Seit Ende 2018 ist er im erweiterten Kirchenvorstand, in den er mit einer hohen Anzahl an Stimmen gewählt wurde, erzählt Elisabeth Frisch: "Er besucht seit vier Jahren so gut wie jeden Gottesdienst und ist eigentlich überall mit dabei."

In der Kirchengemeinde Sankt Michaelis engagieren sich mehrere Flüchtlinge - und jeder einzelne hat seine persönliche Geschichte. Der aktuelle Fall nimmt laut Saalfrank aber eine neue Dimension an: Noch nie hat Naser R. in Afghanistan gelebt, auch die Sprache beherrscht er nicht. Trotzdem soll er in das Land, in dem der Glaube an den christlichen Gott den Tod bedeutet, abgeschoben werden. "Ein für uns unerträglicher Gedanke", betont Saalfrank.

Der Grund, warum Naser R. nach Afghanistan muss, ist sein Vater, der dort geboren wurde. In der vergangenen Woche hat die Zentrale Auslänerbehörde in Bayreuth dem 28-Jährigen mitgeteilt, dass er entweder freiwillig geht oder abgeschoben wird. Elisabeth Frisch begleitete ihn zum Termin: "Alle Fragen und Bitten, die wir stellten, wurden mit einem entschiedenen ‚Nein‘ beantwortet. Weder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch das Verwaltungsgericht Bayreuth haben die Glaubensüberzeugung berücksichtigt, sondern seinen Antrag abgelehnt."

Naser R. hat in den vergangenen Jahren viele Praktika in Handwerksbetrieben absolviert und half eine zeitlang ehrenamtlich im Altenheim aus. "Er wurde stets gelobt", berichtet Frisch. "Einige Betriebe wollten ihn sogar übernehmen, doch das Amt hat die Anträge abgelehnt." In einem Betrieb durfte er eine zeitlang arbeiten - allerdings endete genau in dieser Zeit das Asylverfahren.

"Die Stelle in Bayreuth agiert sehr massiv und kalt, das ist schon länger bekannt", erklärt Stephan Reichel aus München, der Vorsitzende der Flüchtlings-Hilfsorganisation Matteo. Im Vergleich zu anderen Behörden habe die Ausländerbehörde Bayreuth extrem schnell über die Ausweisung entschieden - bei andere Behörden dauere dieser Prüfvorgang länger. Hinzu komme, dass es grundsätzlich fragwürdig sei, Menschen nach Afghanistan abzuschieben, da in der Region die Zahl an positiven Coronafällen erheblich ansteige. "Afghanistan nimmt seit der Pandemie im Frühjahr keine Leute mehr an, allerdings setzen das Bundesinnenministerium sowie das bayerische Innenministerium das Land weiter unter Druck." Die nächste Abschiebung solle im Oktober stattfinden. "Es ist aber noch nicht klar, ob sie planmäßig durchgeführt werden kann", merkt Reichel an.

Wie Dekan Saalfrank und Elisabeth Frisch berichten, löst der dauerhafte psychische Druck bei vielen Flüchtlingen schwere Erkrankungen aus - so auch bei Naser R. Er war in stationärer Behandlung, weil er dem Ganzen nicht mehr Stand halten konnte. Stephan Reichel weiß: "Die Ausländerbehörde in Bayreuth gilt als die schärfste in ganz Deutschland in Bezug auf die Konvertierung zum Christentum. Wir müssen dieses Vorgehen stoppen." Dekan Saalfrank steht voll und ganz hinter Naser R. Der Kirchenvorstand fordert in einem offenen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder eine Aufenthaltsperspektive für den jungen Mann. Saalfrank erklärt: "Wenn Naser den Aufenthalt in Deutschland nicht verdient hat - wer dann überhaupt?"

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