Die Stadtverwaltung hat einige nicht mehr benötigte Wohngebäude der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft abreißen lassen - und außerdem brauchen die Bürger heute wesentlich mehr Platz als früher. "Die Personenzahl pro Wohnung geht zurück", sagt Immobilienexperte Kippes. "Das ist ein Trend, der den Bevölkerungsrückgang teilweise kompensiert."
In Bayern gibt es heute 6,2 Millionen Wohnungen, fast doppelt so viele wie 1970. Die Bevölkerung dagegen wuchs nur um ein Fünftel.
Und trotzdem fehlen Wohnungen - sogar in Selb. Die wirtschaftliche Talfahrt ist beendet, die Arbeitslosigkeit von weit über zehn auf unter fünf Prozent zurückgegangen, neue Arbeitsplätze sind entstanden. "Die Firmen kommen auf uns zu und sagen: Baut uns Wohnungen", berichtet Resch. Denn die leer stehenden Wohnungen sind alt und unattraktiv, auf dem Stand der Fünfziger- und Sechzigerjahre, niemand will dort einziehen. Moderner Wohnraum ist gefragt.
Ein noch eigentümlicheres Bild bietet sich im Osten Deutschlands: Mecklenburg-Vorpommern etwa hat seit der Wiedervereinigung gut 300 000 Einwohner verloren, heute leben in dem am dünnsten besiedelten Bundesland noch 1,6 Millionen Menschen.
Die Zahl der Wohngebäude ist in den vergangenen 20 Jahren dennoch um gut 100 000 gestiegen, wie Zahlen des Statistischen Landesamts zeigen. Doch fehlen punktuell immer noch Wohnungen, etwa in Rostock. Die Verwaltung der 200 000-Einwohner-Stadt startete im Sommer 2015 eine Wohnungsbauoffensive, da sie im Laufe der nächsten Jahre mit mehreren Tausend zusätzlichen Neubürgern rechnet.
Eine treffende Beschreibung der Lage fand im Herbst Andreas Ibel, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft: "Wir haben eigentlich genug Wohnraum in Deutschland - aber wir haben ihn an der falschen Stelle."