Länderspiegel "So etwas noch nicht erlebt": Tobender Mann splitternackt auf der Flucht

Tausende Euro Schaden und ein Großeinsatz der Polizei in Wirsberg und Kulmbach: Ein 25-Jähriger hat im Drogenrausch völlig die Kontrolle verloren.

 
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Wirsberg/Kulmbach - Ein 25-jähriger Mann aus Ungarn hat am Wochenende in Wirsberg und Kulmbach so massiv randaliert, dass Polizeikräfte aus Kulmbach, Stadtsteinach, Bayreuth, Hof und schließlich auch noch Beamte des SEK hinzugezogen werden mussten, um den toben Mann zu bändigen. Bis dahin hatte der nach Polizeiangaben "massiv unter Drogen- und Alkoholeinfluss stehende, aggressiver Mann" Tausende Euro Sachschaden angerichtet, Wirsberger Bürger, Mitarbeiter und Patienten des Kulmbacher Klinikums und der Blaicher Apotheke in Angst und Schrecken versetzt und mehrfach heftigen Widerstand geleistet, bis er schließlich überwältigt werden konnte.

Alles begann am Freitag mit einer Verkehrskontrolle auf der A 9 bei Streitau. Die Verkehrspolizei stoppte ein ungarisches Fahrzeug, in dem drei Männer saßen. Dem Fahrer wurde die Weiterfahrt untersagt, weil er unter Drogen saß. Einer der Beifahrer war der junge Mann, der am Sonntag einen Großeinsatz der Polizei auslöste und auch die Feuerwehr beschäftigte.

Was danach geschah und wie der Mann ohne seine Begleiter nach Wirsberg gekommen war, muss die Polizei nun aufklären. Fest steht bisher nur, dass der Mann mitten in der Nacht in einer Unterkunft in der Sessenreuther Straße in Wirsberg aufgetaucht ist und den Bewohnern gegenüber von gesundheitlichen Problemen gesprochen hat, berichtet Georg Löffler, der Leiter der Stadtsteinacher Polizeiinspektion. Die verunsicherten Wirsberger Einwohner, die den Mann nicht kannten, riefen die Polizei. Doch da war der 25-Jährige bereits im Haus. Als die Polizei kam, wehrte er sich. Der Versuch zu flüchten endete schließlich damit, dass der Mann in vier Metern Höhe an einer Balkonbrüstung hing und in die Tiefe zu stürzen drohte. Um 3.35 am Sonntagfrüh wurden die Wirsberger und die Stadtsteinacher Feuerwehr sowie der Helfer vor Ort und der Rettungsdienst alarmiert. Die Einsatzkräfte spannten, wie Georg Löffler berichtet, ein Sprungtuch auf. Zwischenzeitlich gelang es aber doch, den Mann wieder auf den Balkon zu ziehen. "Schon in Wirsberg waren viele Beamte im Einsatz", sagt Georg Löffler. Er berichtet, dass der Tobende nach einiger Zeit ruhig gestellt und schließlich mit dem Rettungswagen ins Kulmbacher Klinikum gebracht wurde. Dort wurde er sediert und fixiert, wie es im Bericht des Polizeipräsidiums Bayreuth heißt.

Niemand konnte zu dieser Zeit ahnen, dass der 25-Jährige wenige Stunden später in Kulmbach einen Auftritt liefern würde, wie es ihn im Landkreis bis dato noch nie gegeben hatte. Im Polizeibericht heißt es: "Gegen 12 Uhr wachte der Tatverdächtige in der Intensivstation auf. Als die Fixierungen kurz gelöst wurden, konnte sich der aggressive Mann losreißen. Innerhalb kurzer Zeit beschädigte er medizinische Gegenstände im Wert von mehreren tausend Euro."

Brigitte Angermann, die Geschäftsführerin des Klinikums, hat am Montagmorgen eine erste Bilanz parat: Völlig von Sinnen habe der Mann auf ein Beatmungsgerät eingeschlagen. Wie sehr das 60 000 bis 70 000 Euro teure Gerät beschädigt wurde, muss nun die Überprüfung durch eine Fachfirma ergeben. Doch damit nicht genug: In seinem Rausch riss der Mann Schläuche aus EKG-Geräten, zerfetzte Kabel, zerrte beim gewaltsamen Öffnen der Tür ein starkes Blech aus seiner Verankerung und riss Jalousien zu Boden. "Wir haben es immer mal wieder mit aggressiven Patienten zu tun, aber so etwas haben wir noch nicht erlebt", berichtet Brigitte Angermann. Sie ist trotz aller Aufruhr erleichtert, dass weder Mitarbeiter noch Patienten verletzt wurden. "Die Aggression des Mannes hat sich ausschließlich gegen Sachen gerichtet, nicht gegen Menschen." Dass nun ausgerechnet ein Beatmungsgerät beschädigt wurde, das in Zeiten der Corona-Pandemie so dringend benötigt wird, findet Brigitte Angermann besonders ärgerlich.

Splitternackt und blutverschmiert rannte der Mann, mit einer Schere in der Hand, aus dem Klinikum und die Albert-Schweitzer-Straße hinunter. Dabei, so berichtet später ein Polizist, habe er sich unter anderem an den nackten Füßen noch weiter verletzt. "Das war schon ein erschreckender Anblick", erzählt ein Augenzeuge.

Die Blaicher Apotheke war das nächste Ziel des Tobenden. Auslagen und auch das Lager der Apotheke habe der Mann durcheinandergebracht, berichtet Georg Löffler. Alle Versuche der Polizei, den 25-Jährigen zu bändigen, schlugen fehl. "Er stand offensichtlich so sehr unter Drogeneinfluss, dass er nicht mehr wusste, was er tat. Er hat sogar auf Pfefferspray überhaupt nicht reagiert." Damit haben Polizisten in der Apotheke versucht, den Mann zu überwältigen.

Doch auch das schlug fehl. "Ohne offensichtliche Wirkung rannte der Mann auf die Straße, schlug mit einem Regenschirm gegen ein Auto und flüchtete in einen neben der Straße abgestellten unversperrten Lieferwagen" berichten Polizei und Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Erklärung. Das sollte die Wende sein: Den Beamten gelang es, den Schlüssel abzuziehen und den Tatverdächtigen in dem Fahrzeug einzusperren. Das Gelände rund um den vor dem Mönchshof abgestellten Lieferwagen mit Nürnberger Kennzeichen wurde umgehend weiträumig abgesperrt.

Die Polizei setzte zunächst auf speziell geschulte Kommunikationsbeamte, die an den Einsatzort gerufen wurden. Sie versuchten zusammen mit einer Dolmetscherin für die ungarische Sprache beruhigend auf den Mann einzuwirken. Doch das alles ließ den Mann völlig unberührt. "Er tobte und schrie in dem Transporter weiter herum", fasst die Polizei das Geschehen zusammen.

Der Durchbruch kam dann gegen 14.30 Uhr, zweieinhalb Stunden, nachdem dieser zweite Einsatz im Zusammenhang mit dem Ungarn begonnen hatte. Alarmierte Spezialeinsatzkräfte zündeten, nachdem sie das Fahrzeug genau untersucht hatten, zwei akustische Irritationskörper, öffneten die seitliche Fahrzeugtür und konnten den blutverschmierten Mann schließlich festnehmen und fesseln, ohne dass dabei jemand Verletzungen erlitt.

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Zum zweiten Mal an einem Tag wurde der Mann vom Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht. Diesmal jedoch nicht ins Kulmbacher Klinikum, sondern ins Bayreuther Bezirkskrankenhaus. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Bayreuth wurde dem Ungarn die Festnahme erklärt.

Beamte der Polizeiinspektionen Stadtsteinach und Kulmbach ermitteln nun gleich wegen zahlreicher Straftaten gegen den Tatverdächtigen, heißt es vonseiten der Polizei.

Gleich auf mehrere Drogen habe der später durchgeführte Test positiv reagiert, sagt Löffler. Welche Rauschmittel der Ungar im Blut hatte, sagt der Beamte nicht. Dass Menschen im Drogenrausch, vor allem wenn sie gleich mehrere Substanzen im Körper haben, so reagieren und offenbar völlig schmerzbefreit sind, komme öfter vor, weiß der Stadtsteinacher Polizeichef. "Der Drogenkonsum ist der Grund allen Übels. Die Leute verlieren zum Teil völlig die Kontrolle über sich."

Von einem einmaligen Vorgang in Wirsberg spricht auch Bürgermeister Jochen Trier. Er ist selbst Polizist, war bei diesem Einsatz aber nicht dabei. Trier kennt dergleichen aus Bayreuth, wo er tätig ist. "Hier bei uns in Wirsberg hat es so etwas aber noch nie gegeben." Trier zeigt sich erleichtert, dass bei aller Aufregung die Taten des Mannes nur Sachschäden hinterlassen haben und niemand sonst verletzt wurde.

Am Montag sollte der Mann, der nur mit vorläufigen Ausweispapieren unterwegs gewesen ist, dem Haftrichter in Bayreuth vorgeführt werden. Die Staatsanwaltschaft hat einen Unterbringungsbefehl beantragt, bestätigt Leitender Oberstaatsanwalt Martin Dippold. Das heißt, der 25-Jährige soll bis auf weiteres hinter Schloss und Riegel im Bezirkskrankenhaus bleiben. Die Ermittlungen der Polizei sind allerdings noch nicht soweit abgeschlossen. Deswegen soll die Vorführung nun am Dienstag stattfinden. Es wird wohl noch einiges aufzuarbeiten sein, bis das Verfahren gegen den Ungarn schließlich bei Gericht landen wird. "Der Mann hat eine Spur der Verwüstung hinter sich gelassen", sagt der Chef der Staatsanwaltschaft Martin Dippold.

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