Länderspiegel Söder sorgt sich um neue "Mini-Ischgls"

Josefine Kaukemüller, Marco Krefting, Armin Weigel

Er hatte immer gewarnt: Corona ist nicht vorbei, eine zweite Welle nur eine Frage der Zeit. Nun hat Bayerns Ministerpräsident Söder einen Hotspot im eigenen Land - und muss reagieren.

 
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München/Mamming - Als Markus Söder am Montagmorgen im Prinz-Carl-Palais in München steht und über den neuen Corona-Hotspot Mamming spricht, ist es auf den Tag genau ein halbes Jahr her, dass der erste Mensch in Deutschland positiv auf das neuartige Virus getestet wurde. Ausgerechnet in Bayern war das damals. Als die Welle richtig losbrach, hat der Ministerpräsident und CSU-Chef das Leben im Freistaat weitgehend herunterfahren lassen - und erst spät und langsam gelockert. Später und langsamer als manch anderes Bundesland.

Lindauer Landrat droht mit saftigen Bußgeldern

In der Diskussion über eine Verschärfung der Corona-Krise durch Urlauber hat der Lindauer Landrat Elmar Stegmann (CSU) eine strikte Einhaltung der Hygieneregeln verlangt. Die Kreisbehörde habe die Gemeinden aufgefordert, auf alle Gewerbetreibenden, Hoteliers und Restaurantbesitzer zuzugehen und an deren Verantwortungsbewusstsein zu appellieren. Wegen des zunehmenden Infektionsgeschehens müssten ansonsten Bußgelder "konsequent verhängt" werden, betonte Stegmann. In der Regel betrage dieses 5000 Euro. "Geht man derzeit über die Lindauer Insel, so hat man den Eindruck, es gäbe kein Corona", sagte der Landrat. Der Bodensee und das Allgäu seien wegen der Pandemie noch gefragtere Ferienregionen als sonst. Nach Angaben von Stegmann werden die Vorschriften in den Lokalen oft nicht mehr eingehalten. Die Daten der Gäste würden vielerorts nicht mehr erfasst, die Mindestabstände und die Maskenpflicht nicht mehr beachtet. dpa


Seit dem Wochenende nun kennt jeder, der die Corona-Berichterstattung verfolgt, die niederbayerische Gemeinde Mamming mit rund 3340 Einwohnern und über 1000-jähriger Geschichte. Idyllisch gelegen an den Isar-Auen. Mehr als 170 Erntehelfer auf einem Gemüsehof haben sich hier nachweislich mit dem Coronavirus infiziert - auch weil der Betreiber sich nicht an sein eigenes Schutzkonzept gehalten haben soll. Auf sogenannten Gurkenfliegern sollten die Arbeiter liegen und pflücken. Immer dieselben Leute, immer in derselben Reihenfolge. Doch wer sich abends mit wem trifft, sei für die Behörden nur schwer zu kontrollieren, sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).

Am Montag riegeln Absperrgitter das Gelände ab. Vereinzelt gehen Menschen in kleinen Gruppen über das Gelände. Unaufgeregt. Am Wochenende war hier noch mehr los. In der Nähe wird eine Teststation aufgebaut. Auch Mamminger Bürger sollen sich testen lassen können.

Mit deutlichen Worten mahnt Söder nochmals: "Corona verzeiht keinen Leichtsinn." Und: "Corona kommt schleichend zurück, leider aber mit aller Macht." Jeder müsse auf die Hygieneregeln - Abstand und Mund-Nasen-Schutz - achten. Höhere Bußgelder sollen Druck auf die Betriebe vergrößern, Schutzkonzepte einzuhalten.

Vor allem mit Blick auf die in Bayern gerade begonnenen Sommerferien und Erinnerungen an die Faschingsurlauber, die aus dem österreichischen Skiort Ischgl das Virus haufenweise nach Bayern einschleppten, sorgt sich der CSU-Chef vor vielen "Mini-Ischgls", Orten, in denen niemand das Infektionsgeschehen so richtig unter Kontrolle hat. Und er stellt die Gegenfrage: Warum muss man Urlaub in einem Risikogebiet machen?

Ansonsten fordert er erneut eine Pflicht für Tests an Flughäfen für Urlaubsrückkehrer. Appelle und Forderungen - viel mehr bleibt ihm im Moment nicht übrig. Denn hier ist der Bund am Zug. Ob so eine Pflicht überhaupt möglich ist, muss erst rechtlich geprüft werden.

In Bayern solle es aber auch an den Hauptbahnhöfen München und Nürnberg sowie an Straßen nahe der Grenze - freiwillige - Testangebote für Reisende geben. Nicht nur für solche aus Bayern, wie Söder betont. Das sei "Amtshilfe" für andere Länder.

Der Corona-Ausbruch in Mamming rückt die zurückhaltende, vorsichtige Strategie der bayerischen Staatsregierung im Kampf gegen die Pandemie in ein neues Licht. Bislang hatte Söder viel Lob für seinen Kurs bekommen. In Umfragen schossen die Beliebtheitswerte nach oben. Immer wieder wird er als Kanzlerkandidat gehandelt, weil er Krisen meistern könne. Mit Blick auf den Corona-Ausbruch beim Schlachtbetrieb Tönnies in Nordrhein-Westfalen, wo Regierungschef Armin Laschet (CDU) einen lockereren Kurs fährt, hatte er vor zu schnellem Vorgehen gewarnt. Der Fall diente Söder als Referenz, dass das Infektionsrisiko nach wie vor hoch sei. Die Reaktion: Als eines der ersten Bundesländer verhängte Bayern Urlaubsverbote für Menschen aus Risikogebieten.

Nun hat es mit Mamming den Freistaat selbst getroffen. Gefragt nach Parallelen und Kritik an der Lockerungspolitik, weicht Söder aus: Man könne die Fälle nie vergleichen. Es gehe aber immer darum, nach ersten Fällen schnell zu reagieren und zügig weiträumig zu testen. "Die Zeitachse", sagt Söder über Mamming, war "sehr in Ordnung".

Für die Opposition ist das ein gefundenes Fressen: Grüne, SPD und FDP werfen der Staatsregierung unter anderem mangelhafte Kontrolle der Unterkünfte auf dem Gemüsehof vor und geben Söder deswegen Mitverantwortung. "Beim arroganten Umgang der bayerischen Staatsregierung mit dem Gesundheitsschutz von Erntehelfern war es nur eine Frage der Zeit, wann es wieder Corona-Herde in Bayern geben würde", sagt die FDP-Landtagsabgeordnete Julika Sandt am Montag. Durch Untätigkeit während der Corona-Krise habe die Staatsregierung die Grundrechte der Menschen wie Gesundheitsschutz und den Schutz menschenwürdiger Arbeitsbedingungen mit Füßen getreten. Auch Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann attestiert Söders Corona-Krisenmanagement massive Kratzer.

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