Mit dem entscheidenden Drei-zwei-eins-meins-Klick landete ich geografisch exakt 550 Kilometer weit weg. Theo II. war um einiges kostenintensiver als ein Kasten Bier. Dafür hatte er einen passenden Anhänger und wie sich später herausstellte: ein klappriges Herz, nicht funk-tionierende Bremsen, eine lavede Lenkung und auch sonst dezente Spuren einer verkorksten Restaurierung. Aber wie es frischverliebt so ist: Mann vielleicht, aber Frau schaut nicht so tief in die motorisierte Seele. Mit einem orange-beige verklärten Blick schon gar nicht.
Das hatte seinen Grund. Der 1960 gebaute Theo II. war speziell. Der Trabant 500 oder auch P 50 Genannte, rollte zwischen 1958 bis 1962 vom Band. Mit geschwungener Chromzierleiste und in Zweifarbenlackierung kam er als Sonderausführung daher. Deren Stückzahl hielt sich in Grenzen. Von all den überhaupt 3 069 099 gebauten Trabanten wurden nur 38 097 als Sonderausführung oder auf Sonderwunsch produziert.
Theo II. wurde also von vielen Händen aufwendig wiederbelebt. Und er dankte es bereits auf den ersten Fahrten. Er knatterte und qualmte nicht nur durch den Steinweg, die Fußgängerzone in Suhl, sondern quer durch Thüringen. Lächeln und Bewunderung erfuhr er in Würzburg und Heidelberg. In Stuttgart soff er bei einem heftigen Platzregen ab. In Sinsheim strahlte er von Zweitakt-Fans umlagert unter den Überschallfliegern Concorde und Tupolew. In Speyer verzückte er selbst den Werkstatt-Chef zweier großer Technik-Museen, Holger Hamann. Er, der technische Wunderwerke aus aller Welt nach Deutschland bugsierte, stammt aus Stendal und war als Knirps selbst mit seinen Eltern in einem 500er unterwegs.
Dass die oft so verpönte und beschnupperte Gemisch-Fahne selbst im Westen keinen störte, hat mit Kleinwagen zu tun, die in den 50er-, 60er-Jahren dort gefahren wurden. Ob Isetta, Goggo, Janus, Heinkel oder andere – sie alle rochen genauso gemischig.
Dann schlug Theos nächste große Stunde: Die unter Schrauber-Fans bekannte Moderatorin und Mechanikern Linda van de Mars aus Berlin beurkundete und adelte ihn in Speyer. Da lächelte der Kugelporsche zwischen sündhaft teuren Flügeltüren-Benz und Co. Und schließlich trotzte er unter Einhaltung von Hygiene-Abstandsregeln sogar Corona. Im baden-würtembergischen Schwetzingen leuchtete er orange-beige im September 2020 weithin im riesigen Schlosspark und machte die Classic Car Gala-Besucher auf sich aufmerksam. Von diesen übrigens outeten sich nicht wenige, einst selbst Trabi gefahren zu sein.
Mit sechs Jahrzehnten auf dem Rahmen hat er also seine Karriere im Westen gestartet. Ganz ohne Kasten Bier. Theo II. rollt weiter. Bis – welches Schicksal uns auch immer scheidet. Und immerhin: Auch im 30. Jahr der Deutschen Einheit fahren noch etwa 35 500 Exemplare mit dem Sachsenring-Logo durch die gesamte Bundesrepublik. Trabant heißt schließlich Begleiter. Und als solcher bleibt er eine Wucht!
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KONSUMMARKEN Band 1 bis 3
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