Eltmann Mit Maske und Trillerpfeife

Christian Licha, René Ruprecht

Mitarbeiter von Schaeffler in Eltmann machen ihrem Frust Luft. Am Donnerstag protestieren sie mit Gewerkschaftern vor den Werkstoren gegen die geplante Werks-Verlegung.

 
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Eltmann - Ein lautes Trillerpfeifenkonzert und schrille Pfiffe halten am Mittwochmittag am Werkstor des Schaeffler Produktionsstandortes in Eltmann. Rund 100 Beschäftigte einer Schicht in der Produktion machten ihrem Ärger und ihren Zukunftsängsten Luft. Der Konzern hatte am Mittwoch nach einer außerordentlichen Sitzung des Konzernwirtschaftsausschusses informiert, dass insgesamt rund 4400 Arbeitsplätze an 12 Standorten abgebaut werden sollen ( wir berichteten ).

Auch die Standorte Schweinfurt und Eltmann sind davon massiv betroffen. Die Produktion in Eltmann, mit rund 480 Beschäftigten soll komplett nach Schweinfurt verlagert werden. Auch aus Wuppertal und Höchstadt wandern Arbeitsplätze nach Schweinfurt. Doch auch für Schweinfurt ist das beileibe kein Tag zum Feiern. Nach bisher von Schaeffler selbst noch unbestätigten Plänen sollen dort rund 1000 der aktuell ansässigen Arbeitsplätze abgebaut werden. Das gaben die Betriebsräte beider Standorte in einer gemeinsamen Mitteilung zuvor bekannt.

Ulrich Schöpplein, Betriebsratsvorsitzender in Eltmann, ist schockiert: "In Eltmann sollen 80 Jahre Industriegeschichte und ein profitables Werk aufgelöst werden. Das werden wir nicht akzeptieren". Mit der Produktion von Rollen für Wälzlager in jeder Größe liege man nicht im roten Bereich, erklärte Schöpplein. Der Gewerkschaftler hält die Pläne des Konzerns schlicht für Profitgier. Er zweifelt auch daran, dass alle Eltmanner Beschäftigten in Schweinfurt untergebracht werden können: "Schaeffler wird wahrscheinlich versuchen, die Leute mit Abfindungsmaßnahmen zu ködern". Außerdem habe Schöpplein nach seinen Worten am Mittwoch bei der Sitzung erfahren, dass die 38 Arbeiter in Eltmann, die bei einer internen Leiharbeitsfirma beschäftigt sind, gekündigt werden sollen. Dem habe aber das Unternehmen am Donnerstag widersprochen, erklärte der Betriebsratsvorsitzende.

Sorgen macht sich Schöpplein auch um die Beschäftigten der italienischen Umbra-Gruppe, die sich auf dem Werksgelände eingemietet hat. Früher war diese Abteilung ein Teil von FAG Kugelfischer, seit deren Umstrukturierung aber selbstständig. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Umbra weiterhin in Eltmann bleiben kann. Durch die Schließung des Schaeffler-Werkes fehlt ja die gesamte Infrastruktur", so Schöpplein.

"Die Belegschaft ist von dem ganzen Paket enorm schockiert. Wir stellen fest, dass der Arbeitgeber sich enorme Mühe gibt, es als Zukunftspaket zu verkaufen. Es ist ein Kahlschlag in der Region. Es wird definitiv Arbeitsplätze kosten, das nicht begutachtet wird, auch in Schweinfurt ist ein Abbau vorhanden. Es ist nicht, dass wir nach Schweinfurt umziehen und die Welt ist Friede Freude Eierkuchen. Wir haben hier einfach Arbeitsplatzverluste und einen Standortverlust, und das nach 80 Jahre Industriegeschichte. Wir haben auch noch andere Firmen auf dem Werksgelände, die die Infrastruktur halten sollen, auch das könnte das Aus, gerade aufgrund der Corona-Pandemie, für die anderen Firmen bedeuten. Wir haben Kantine und Werkssicherheit, alle Mitarbeiter werden in Schweinfurt nicht mehr gebraucht werden."

Die "Hiobsbotschaft" der Werkschließung, wie sich der Betriebsratsvorsitzende ausdrückte, hat auch Pressevertreter von Funk und Fernsehen nach Eltmann gelockt. An der Seite der Arbeitnehmer kämpfen auch Schöppleins Stellvertreter Florian Gräf und Thomas Höhn, der zweite Bevollmächtigte der IG Metall Schweinfurt und Schaeffler Konzernbeauftragter, die ebenfalls vor Ort waren.

In einer Pressemitteilung macht Johann Horn, der Bezirksleiter der IG Metall Bayern, klar: "Standortschließungen und Verlagerungen an Billigstandorte sind kein Zukunftskonzept. Die Beschäftigten und die IG Metall werden das nicht akzeptieren. Betriebsbedingte Kündigungen müssen ausgeschlossen sein." Schaeffler wolle die Corona-Krise ausnutzen, um Kosten zu sparen und Profite zu steigern, so Horn weiter. Tatsächlich hatte der Vorstand in seiner Mitteilung vom Mittwoch auch den fehlenden Umsatz durch die Corona-Krise und den wachsenden Druck zur Kostensenkung thematisiert.

Wir erwarten, dass Schaeffler stattdessen Verantwortung übernimmt und Beschäftigung sichert. Dazu ist das Unternehmen auch in der Pflicht, zumal es im Rahmen der verlängerten Kurzarbeit von der Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge profitiert." 2018 hatte Schaeffler mit der IG Metall eine Zukunftsvereinbarung abgeschlossen. Darin ist eine Stärkung der deutschen Standorte vereinbart, betriebsbedingte Kündigungen werden grundsätzlich ausgeschlossen.

Nach einer durch Schaeffler-Pressesprecher Marco Bosch ausgeteilten schriftlichen Information, hat Jochen Spielberg, der Werkleiter in Eltmann zu den Beschäftigten gesprochen: "Heute ist ein herausfordernder Tag für alle Mitarbeiter am Standort Eltmann. Der Standort wird bis Ende 2023 vollständig in das Werk Schweinfurt integriert werden. Dies ist nicht nur eine Herausforderung, sondern zugleich eine Chance: Für das Produkt, den Standort Deutschland und auch die Mitarbeiter. Es ist beabsichtigt, Mitarbeitern eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Schweinfurt anzubieten. Die nächsten Schritte werden nun mit den entsprechenden Gremien und Arbeitnehmervertretern besprochen".

Auch die IG Metall wird nicht untätig sein und kündigt einen massiven Protest an. Bereits für Mittwoch, 16. September, ist ein bundesweiter Aktionstag an allen Schaeffler-Standorten geplant, verkündete Salvatore Vicari, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Schaeffler Technologies AG & Co. KG, ebenfalls in einer Pressemitteilung.

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