Allerdings, und das gibt er zu bedenken, seien die Beanstandungen nicht über das alltägliche Maß hinausgegangen. "Wir haben einen relativ hohen Anteil an Anbindeställen. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es nur noch Laufställe oder Weidehaltungen geben würde. Aber solange die Anbindehaltung nicht verboten ist, handeln die Landwirte nach geltendem Recht."
Die von Peta in dem Fall beklagten Quetschungen am Hals und entzündeten Gelenke bei den Rindern kommen laut Dr. Dötsch durchaus auch andernorts vor. Auch Spaltenböden in den Ställen seien nicht unüblich. Die Mitarbeiter der Behörden reagierten aber nicht nur aufgrund von Mitteilungen. "Wir behalten uns immer Kontrollen vor."
Eine differenzierte Meinung zum Thema Anbindehaltung hat Harald Fischer, Obmann der Landwirte im Landkreis Wunsiedel. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte er, dass es auf den jeweiligen Betriebsleiter ankomme, wie gut es den Rindern gehe. "Es gibt Ställe mit Anbindehaltung, in denen die Kühe sicherlich sehr zufrieden sind. Der Landwirt muss sich eben entsprechend gut um die Tiere kümmern." Fischer selbst hat seinen Betrieb bereits vor 15 Jahren auf Freilauf-Haltung umgestellt. "So eine Investition ist im Grunde nur möglich, wenn man einen Nachfolger hat. Viele Landwirte, deren Kinder den Hof nicht übernehmen, wollen nicht mehr so viel Geld ausgeben - und das ist auch verständlich."
Laut Fischer kostet die Umstellung auf Freilauf-Haltung pro Kuhplatz zwischen 5000 und 10 000 Euro. "Gerade die kleinen Betriebe können sich das nicht leisten, daher gibt es hier noch häufig die Anbindehaltung."
Per se will Fischer diese Form der Rinderhaltung nicht verurteilen. So gäbe es in derartigen Ställen zum Beispiel keine Rangkämpfe. "Rinder sind Herdentiere. Wenn sie in der Gruppe frei im Stall oder auf einer Weide sind, werden rangniedrige Tiere immer Probleme haben. Sie dürfen zum Beispiel erst fressen, wenn die ranghöheren Rinder fertig sind. Auch die von Peta beklagten Betonböden seien in vielen alten Ställen üblich. "Für den Landwirt haben harte Böden den Vorteil, dass die Kühe nicht so viel Klauenpflege benötigen."
Generell ist auch die Diskussion um die Anbindehaltung - wie fast immer in der Landwirtschaft - eine Frage des Geldes. Wie Fischer sagt, würden weit mehr Betriebe auf Freilaufhaltung umstellen, wenn sie es sich leisten könnten. Aber gerade die Milchwirtschaft sei seit Langem nicht mehr rentabel. Der Landwirteobmann vergleicht die Preisentwicklung der Milch gerne mit der des Diesels. 1980 habe der Bauer für einen Liter Milch 80 Pfennige erhalten, der Liter Diesel kostete zu der Zeit ebenfalls 80 Pfennige. Heute bewege sich der Dieselpreis bei um die 1,30 Euro, während die Milch für 40 Cent vergütet werde.
Peta hingegen lehnt die Rinderhaltung zur Gewinnung von Fleisch und Milch generell ab. "Wir setzen uns für eine vegane Ernährung ein (Anmerkung: der komplette Verzicht auf tierische Produkte). Es ist schlicht nicht artgerecht, wenn man Milchkühen eine Leistung von 30 bis sogar 50 Litern Milch pro Tag anzüchtet. Die Milchviehwirtschaft ist für die Kuh ein psychologischer und physiologischer Wahnsinn. Die Tiere sind nach spätesten vier bis fünf Jahren verbraucht und reif für das Schlachthaus", sagt Lisa Kainz. Die Tierschutzverstöße seien in Rinderställen an der Tagesordnung. "Das beginnt schon bei den Kälbern, die in der Regel in viel zu kleinen Liegeboxen gehalten werden." Im oben beschriebenen Fall beklagte Peta zudem verschlissene und fehlende Liegematten für die Kühe, zu schmale Liegeflächen, schmutzige und zu harte Böden und eine allgemeine Vernachlässigung der Tiere.
Ist die Tierrechtsorganisation Peta mit ihren Ansichten militant? Dr. Dötsch vom Veterinäramt Tirschenreuth will sich dazu nicht dezidiert äußern. Nur so viel: "Wir gehen den Hinweisen von Peta natürlich nach. In ihrer Darstellung sind sie aber eben etwas reißerisch."