Wirtschaft Feierliche Stabübergabe mit Schelte für die Politik

Der Niederbayer Wolfram Hatz steht nun an der Spitze des Wirtschafts- verbands VBW. Er löst Alfred Gaffal ab. Beim Festakt wird viel gelobt, aber Berlin erntet heftige Kritik.

 
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München/Oberfranken - Ausgerechnet der neue Präsident hat den schwierigsten Part des Festabends. Er ist der letzte Redner. Wolfram Hatz scherzt, dass die etwa 800 Gäste nun auch noch ihn aushalten müssen. "Aber es muss sein", sagt er mit einem Schmunzeln. Und es gelingt ihm, mit Humor und einer kämpferischen Rede die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen.

Sandler bleibt Vize

Oberfranken ist wieder im VBW-Präsidium vertreten. Dr. Christian Heinrich Sandler wurde als Vizepräsident wiedergewählt. Sandler ist Vorstandschef des gleichnamigen Vliesstoff-Herstellers in Schwarzenbach an der Saale im Landkreis Hof und Präsident des Verbands der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie.

Selbstbewusstsein und Sendungsbewusstsein sind für einen Präsidenten der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) eine Grundvoraussetzung. Schließlich ist er Repräsentant einer Organisation, die 133 Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sowie 42 Einzelunternehmen vertritt. In den Branchen der VBW-Mitgliedsverbände sind etwa 4,8 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tätig. Hatz will aber keine "Ein-Mann-Show", sondern präsentiert sich als Teamspieler. Gleich zu Beginn seiner Rede müsse er die Lobreden auf seine Fähigkeiten als Unternehmer "relativieren", sagt er. Kaum jemand könne allein erfolgreich sein. Vielmehr brauche man dafür gute Geschäftsführer, loyale Mitarbeiter und viel familiäre Unterstützung, aber ebenso externe Partner wie etwa Banken, die Investitionen ermöglichen. Und ein bisschen Glück gehöre auch dazu.

Hatz ist Nachfolger von Alfred Gaffal, der nach sechs Jahren nicht mehr für eine weitere Amtszeit als VBW-Präsident zur Verfügung stand. Der 58-Jährige kommt - wie sein Vorgänger - aus Niederbayern. Hatz hat die 1880 gegründete gleichnamige Motorenfabrik mit Sitz in Ruhstorf an der Rott viele Jahre geleitet. Heute ist er Hauptgesellschafter des Unternehmens, Beiratsvorsitzender und vertrieblicher Markenbotschafter. In der Verbandsarbeit hat er viel Erfahrung gesammelt - unter anderem als Chef der Metall- und Elektroarbeitgeberverbände sowie der VBW-Bezirksgruppe in Niederbayern.

Hatz zeigt beim Festakt anlässlich der Stabübergabe im Hotel "Bayerischer Hof", dass er auch als VBW-Präsident Akzente setzen möchte. Und er weiß, dass Klappern zum Handwerk gehört, wie man so schön sagt. Mit der Bundespolitik geht er hart ins Gericht. Die "faktische Enteignung" der Fahrer von Dieselfahrzeugen sei "skandalös", poltert er. Und überhaupt: Berlin sei vor allem mit Umverteilungspolitik beschäftigt. Viel zu wenig werde hingegen in die Zukunft Deutschlands investiert, wozu insbesondere eine moderne Infrastruktur gehöre.

Er sei ein Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft, unterstrich der neue VBW-Präsident. Diese zeichne sich zwar durch Solidarität aus. "Aber zuvor kommt die Eigenverantwortung." Fördern und Fordern müssten im Gleichklang stehen. Bei all den Gerechtigkeitsdebatten kämen oft die Interessen der Jungen zu kurz. Doch Generationengerechtigkeit sei ein wesentlicher Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft. "In den nächsten Jahren muss es uns gelingen, Ökologie und Ökonomie zum Geschwisterpaar zu machen", fordert Hatz.

Alfred Gaffal blickte zuvor zufrieden auf seine Amtszeit zurück. "Die VBW ist die Stimme der bayerischen Wirtschaft. Und diese Stimme ist in den vergangenen Jahren noch kräftiger geworden", sagte er. Hoher Beschäftigungsstand, starke Wirtschaftskraft und viele innovative Unternehmen - Bayern stehe sehr gut da. "Dabei hat es uns die Politik in Berlin nicht immer leicht gemacht." In der großen Koalition gab und gibt es nach seinen Worten kaum Visionen, wie Deutschland die großen künftigen Herausforderungen bewältigen möchte. Es sei unverständlich, wie gerade die Schlüsselbranche des Landes - die Automobilindustrie - "kaputtgeredet" werde.

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, klagte, der Bundesregierung fehle der Kompass . "Wir sind auf dem besten Weg, wieder der kranke Mann Europas zu werden", warnte er. Besonders in der Energiepolitik seien viele Fehler gemacht worden. Der scheidende VBW-Präsident Gaffal habe diese Fehlentwicklungen immer wieder angesprochen - durchgedrungen sei er mit seinen mahnenden Worten jedoch nicht, bedauerte Kramer.

Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger warf der Bundesregierung vor, den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben: "Die Bundespolitik trägt erhebliche Mitschuld daran, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit sinkt."

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte ebenfalls einen Neustart in der Energiepolitik. Dieses Thema sei in den vergangenen Jahren "schlecht gemanagt" worden. Deutschland müsse bei Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz aufholen. Für einen "digitalen Schub" seien deutlich mehr Investitionen nötig, zeigte sich Söder überzeugt.

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