Wirtschaft "Im Laden kann ich das Produkt anfassen"

Das Internet setzt den Einzelhandel unter Druck. Sabine Köppel, Bezirksgeschäftsführerin im Handelsverband Bayern, sagt, wo Probleme und Chancen für die Branche liegen.

 
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Frau Köppel, wann haben Sie denn das letzte Mal bei Amazon und Co. bestellt?

Ich habe im vergangenen Jahr das letzte Mal im Internet bestellt. Bei einem ganz kleinen Shop, weil es dort meine Nachthemden gibt.

Sie sind also nicht grundsätzlich dagegen, im Internet zu bestellen?

Nein, einen gewissen Anteil Versandhandel hatten wir ja schon immer - Quelle, Neckermann, Otto hatten damals allerdings nur einen Anteil von zwei, drei Prozent am Gesamtumsatz. Der Internethandel liegt über alle Branchen jedoch mittlerweile bei zehn bis elf Prozent, bei Textilien oder Elektronik sind es zum Teil sogar deutlich über 20 Prozent. Wenn dem stationären Einzelhandel Umsatz in dieser Größenordnung wegbricht, dann ist das ein Problem.

Worüber sprechen wir beim oberfränkischen Einzelhandel, was sind die Kennzahlen?

Der Einzelhandel in der Region steht für einen Umsatz von 5,3 Milliarden Euro im Jahr, aber auch für rund 35 500 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 2100 Auszubildende. In Deutschland macht der Einzelhandel mehr Umsatz als die Autoindustrie. Er wird wegen seiner kleinteiligen Struktur nur nicht so wahrgenommen wie ein VW-Konzern.

Aber der stationäre Einzelhandel ist ja unter Druck, vor allem wegen der Konkurrenz im Internet.

Das stimmt. Aber: Immerhin ein Drittel der mittelständischen Einzelhändler hat selber einen Online-Shop. Den braucht bestimmt nicht jeder. Eine Homepage aber schon, denn für viele Verbraucher existiert man heute ohne Internetauftritt im Grunde genommen gar nicht.

Das heißt?

Es gibt eine sehr interessante Entwicklung: Früher gab es oft den sogenannten Beratungsklau, bei dem sich die Kunden im Geschäft beraten ließen und dann im Netz gekauft haben. Heute ist es immer öfter so, dass sich der Verbraucher im Netz informiert und sich dann einen Händler vor Ort sucht, bei dem er sich seine Entscheidung bestätigen lassen will. Der Vorteil ist doch: Ich weiß aus dem Internet schon fast alles über das Produkt, aber im Laden kann ich es eben anfassen.

Aber dafür kann man im Internet einkaufen, wenn der Laden in der Stadt längst zuhat. Und in Bayern herrscht auch noch das strengste Ladenschlussgesetz bundesweit. Hätten Sie gerne längere Öffnungszeiten?

Nein, aber wir hätten gerne mehr Flexibilität bei Events und verkaufsoffenen Sonntagen.

Was heißt das konkret?

Das Ladenschlussgesetz lässt im Moment vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr zu. Wenn wir die auch durchführen dürften, würde das ausreichen - einerseits, um den besonderen Event-Charakter zu bewahren und andererseits, um die jeweilige Stadt als Einkaufsstandort vorzustellen und zu bewerben.

Aber da sind ja auch noch die Mitarbeiter. Es gibt Probleme, neue Mitarbeiter und Nachwuchs zu finden. Da spielen Arbeitszeiten und Bezahlung doch eine Rolle?

Natürlich gibt es Menschen, die allein wegen der Arbeitszeiten eine Beschäftigung im Einzelhandel ausschließen. Gerade alleinerziehende Mütter haben da oft ein Problem. Allerdings bieten viele Arbeitgeber mittlerweile auch sehr flexible Arbeitszeitmodelle an. Was die Bezahlung angeht, zeigen Studien, dass die für die Mitarbeiter wichtig, aber nicht alles ist. Zumal zum Beispiel die Ausbildungsvergütungen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind.

Was ist denn das Schöne an der Arbeit im Einzelhandel?

Wenn man kommunikativ und aufgeschlossen ist: der Umgang mit Menschen und die damit verbundene Abwechslung. Und man kann sich vergleichsweise schnell weiterqualifizieren und damit früh Führungsverantwortung übernehmen. Gerade bei den großen Filialisten müssen junge Leute nicht wie anderswo bis 40 warten, bis sie vielleicht mal eine Abteilung leiten dürfen.

Zählen Sie doch mal die wichtigsten Punkte auf, die ein stationärer Einzelhändler beachten muss, um auch in Zukunft bestehen zu können.

Zusätzlich zur Beratungskompetenz muss er sein Sortiment im Griff haben und dafür wissen, welche Zielgruppe will ich bedienen. Er muss seine Stammkunden im Blick behalten, denn es ist viel leichter, die zu halten, als neue Kunden zu gewinnen. Da eignen sich zum Beispiel regelmäßige Einladungen zu kleinen Events. Und man sollte die neuen Medien nutzen. Etwa, wenn eine Boutique das Outfit der Woche auf Instagram postet. Außerdem muss der Einzelhändler stets genau wissen, was die Konkurrenz anbietet und zu welchem Preis. Und er sollte passend zu seinem Sortiment Dienstleistungen anbieten. Nicht zuletzt sollte man sich die Vorteile der Digitalisierung zunutze machen. Wenn ich zum Beispiel im Möbelgeschäft dank einer VR-Brille realitätsgetreu sehen kann, wie das neue Sofa in meinem Wohnzimmer aussieht, ist das ein starkes Verkaufsargument.

Unter anderem befeuert durch die Klimadiskussion, gibt es ja auch eine Bewegung hin zu regionalen Kreisläufen. Das kann dem stationären Handel doch helfen?

Das stimmt. Gerade auch viele junge Leute machen sich mittlerweile Gedanken darüber, was sie kaufen und wo es herkommt. Das sehen wir gerade im Lebensmittelbereich ganz deutlich, wo auch immer mehr Supermärkte Produkte aus der Region ins Sortiment aufnehmen. Oder wenn Dorfläden gegründet werden, weil der Supermarkt vor Ort zugemacht hat.

Man darf aber auch einen anderen Aspekt nicht vergessen. Der regionale Handel bietet jede Menge Arbeits- und Ausbildungsplätze hier vor Ort an. Und er zahlt wie seine Mitarbeiter Steuern hier und nicht wie Amazon und Co. in den USA - wenn überhaupt. Diese Zusammenhänge sind nicht jedem klar. Dafür wird der Händler vor Ort dann angesprochen, wenn es im Sportverein um Preise für die Tombola zu Weihnachten geht. Fragen Sie da doch mal bei Amazon nach.

Hat der stationäre Einzelhandel also in einer sich stark wandelnden Gesellschaft eine Zukunft?

Der Handel hat immer auf Veränderungen reagieren müssen - von den Anfängen des Tauschhandels bis heute. Die Bereinigung in der Branche wird wohl weitergehen, aber es wird nie dazu kommen, dass Handel nur noch im Internet stattfindet.

Das Gespräch führte Stefan Schreibelmayer

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