"Putin möchte, dass wir übereinander herfallen"
Voraussichtlich nächste Woche will sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung mit der Abhöraffäre beschäftigen. "Bis dahin haben wir auch mehr Informationen", sagte die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) der "Rheinischen Post". "Wir werden darüber beraten, inwieweit unsere Institutionen auf einen hybriden Angriff vorbereitet sind." Sie erwarte auch von der Opposition, mit Ernsthaftigkeit, aber auch Souveränität mit der Lage umzugehen. "Putin möchte nämlich nur eines, dass wir jetzt übereinander herfallen."
Auch SPD-Chef Lars Klingbeil mahnte die Opposition: "Putin versucht, unsere Politik und unsere Gesellschaft zu spalten. Gerade deswegen sollte eine notwendige schnelle Aufklärung nicht mit Forderungen vermischt werden, die sofort als parteipolitisch motiviert durchschaubar sind", sagte Klingbeil ebenfalls der "Rheinischen Post".
Die Union dringt dagegen darauf, dass der Verteidigungsausschuss noch in dieser Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommt. "Die vorgeschlagene Terminierung ist der Lage völlig unangemessen. Der Ausschuss soll faktisch eine Woche auf Antworten warten", heißt es in einem Schreiben des parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsparteien im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), aus dem die "Rheinische Post" zitierte. Er erwarte, dass Kanzler Scholz an der Sitzung teilnehme.
Kubicki will für Taurus-Lieferung stimmen
Anders als der Kanzler befürworten FDP und Grüne eine Taurus-Lieferung, die Union auch. Strack-Zimmermann hatte im Februar als einziges Mitglied ihrer Fraktion einem Unionsantrag zugestimmt, der diese Forderung enthielt.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) rechnet im Parlament mit mehr FDP-Stimmen, sollte es im Bundestag dazu eine neue Abstimmung geben. "Ich bin sicher, die Union wird nächste Woche wieder einen Antrag stellen und ich bin mir auch sicher, dass diesmal mehr Abgeordnete dafür stimmen werden, Taurus in die Ukraine zu liefern", sagte FDP-Vize Kubicki dem "Münchner Merkur". "Schon beim letzten Mal hätten mindestens ein Dutzend weitere Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne, liebend gern dem Unionsantrag zugestimmt, haben sich aber der Koalitionsdisziplin gefügt. Ich war auch kurz davor. Diesmal wäre für mich der Punkt erreicht, es zu tun", sagte Kubicki.
SPD-Politiker Schmid: Scholz' Nein nicht endgültig
SPD-Außenpolitiker Nils Schmid schließt indes nicht aus, dass Scholz von seinem Nein zur Taurus-Lieferung noch abrücken wird. "Die technischen, verfassungsrechtlichen und auch die strategischen Hürden sind höher als bei anderen Waffensystemen. Aber das schließt nicht aus, dass die Regierung in der Zukunft zu einer anderen Abwägung kommt und sich doch zu einer Lieferung entscheidet", sagte Schmid den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Die einzige rote Linie für Scholz sei: "Keine direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands und der Nato." Bei Waffenlieferungen habe der Kanzler dagegen "immer auf Abwägung gesetzt und seine Entscheidungen an die Entwicklung in der Ukraine angepasst, sodass eine Lieferung etwa von Kampfpanzern dann möglich wurde".
Zu dem von Scholz angebrachten Argument gegen eine Taurus-Lieferung, wonach Bundeswehrsoldaten beteiligt sein müssten, wenn man eine Kontrolle über das Waffensystem haben wolle, sagte Schmid: "Dieses Argument gilt aktuell, denn ohne Unterstützung durch Bundeswehrsoldaten können ukrainische Soldaten ohne vorherige Ausbildung das technisch hochkomplexe System nicht bedienen."
Auf die Anmerkung, dass ukrainische Soldaten wie beim Leopard-Panzer in Deutschland an dem Waffensystem ausgebildet werden könnten, entgegnete Schmid, das sei in der Tat denkbar. "Dennoch wird der Kanzler jede Waffenlieferung grundsätzlich auf ihre Risiken abwägen. Bislang gibt es dazu noch keine Entscheidung. Aber das kann sich ändern." Es gebe keine Tabus bei einzelnen Waffentypen.