Coburg Komasaufen war gestern

Jugendliche haben im Lockdown deutlich weniger Alkohol konsumiert. Foto: picture alliance / dpa/Jens Büttner

Die Kinderklinik Coburg registriert seit Corona weniger Fälle von Alkoholvergiftung bei Minderjährigen. Ein Experte hat dafür eine Erklärung.

 
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Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen ist kein neues Phänomen. Das sogenannte Binge Drinking, das absichtliche Trinken bis zum Rausch, wurde auch schon von früheren Generationen praktiziert. Besonders das Komasaufen entwickelte sich nach der Jahrtausendwende zu einem gefährlichen Zeitvertreib. Allein in den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der alkoholbedingten Klinikaufenthalte nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) um mehr als 80 Prozent angestiegen.

Doch dann kam vor drei Jahren der Lockdown in der Corona-Pandemie und setzte dieser Tendenz vorerst ein Ende. Die Zahl der Einweisungen mit Alkoholvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen ging in Coburg in den Jahren 2020 (24 Fälle) und 2021 (44) deutlich zurück. 2022 wurden 58 Fälle registriert – immer noch deutlich weniger als 2019. Damals gab es 90 Einweisungen mit dieser Diagnose. „Eine Erklärung für die Entwicklungen könnte sein, dass die Jugendlichen im häuslichen Lockdown kontrollierter waren, da man sich draußen nicht mehr so frei und unbeobachtet treffen konnte“, vermutet Dr. Peter Dahlem, Chefarzt der Kinderklinik.

Folgen werden ignoriert

Allerdings sei inzwischen eine weitere Tendenz feststellbar: „Durch die Zunahme seelischen Unwohlbefindens bis hin zu psychiatrischen Störungen wurde das Bedürfnis nach Drogen oder Alkohol eher erhöht.“ Obwohl die Aufklärung im Hinblick auf Gefahren, die damit verbunden sind, besser und umfangreicher geworden sei. Studien belegten, dass der Konsum der Erwachsenen – also auch der Eltern – während der Pandemie zugenommen hat.

Dass offenbar weniger Jugendliche als früher zur Flasche greifen, freut Liane Düsenberg vom Coburger Diakoniewerk Blaues Kreuz: „Hochprozentiges spielt bei jungen Leuten nicht mehr so eine große Rolle wie früher. Da geht es eher um das Thema Drogen oder Kiffen.“ Allerdings stellt sie immer wieder fest, dass viele Jugendliche die Gefahren von Bier, Wein und Schnaps falsch einschätzten. „Für junge Menschen ist Alkohol völlig normal. Schließlich kann es nicht so gefährlich sein, wenn die Getränke problemlos an jeder Ecke zu erwerben sind. Trinken bereitet Spaß, und oft wird es jungen Menschen zuhause auch so vorgelebt.“

Erster Rausch mit sieben Jahren

Nicht nur in Coburg trinken junge Leute offenbar weniger Alkohol. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2021 in Deutschland rund 42 Prozent weniger Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 19 Jahren mit einer akuten Alkoholvergiftung in Kliniken eingeliefert als vor der Pandemie. Die Zahl der mit Alkoholvergiftungen in Krankenhäusern behandelten Jugendlichen sank von 17 600 (2018) auf knapp 10 000. Dennoch landet keine andere Altersgruppe häufiger aufgrund akuten Alkoholmissbrauchs in Kliniken. Durchschnittlich sind Mädchen und Jungen 13 Jahre alt, wenn sie das erste Mal „Alk“ probieren. Mit 14 Jahren folgt der erste Rausch. Experten berichten sogar von Siebenjährigen, die sich in den Vollrausch getrunken haben. Laut Angaben der TK konsumiert jeder fünfte zwölf- bis 17-jährige Jugendliche mindestens einmal im Monat fünf oder mehr alkoholische Getränke.

Um den Nachwuchs für die damit verbundenen Gefahren zu sensibilisieren, startet in dieser Woche wieder die Kampagne „bunt statt blau“. Bereits zum 14. Mal sucht die DAK-Gesundheit Plakatideen von Schülerinnen und Schülern zwischen zwölf und 17 Jahren zum Thema Rauschtrinken. Schirmherr der mehrfach ausgezeichneten Kampagne ist in Bayern Gesundheitsminister Klaus Holetschek. „Es ist ein positives Signal, wenn immer weniger junge Menschen nach dem Rauschtrinken im Krankenhaus behandelt werden müssen“, betont Volker Seifarth von der DAK-Gesundheit in Coburg in einer Pressemitteilung. „Trotzdem trinken noch immer zu viele Jugendliche sprichwörtlich, bis der Arzt kommt. Deshalb setzen wir weiter auf Aufklärung und führen unsere erfolgreiche Präventionskampagne fort.“

Erfolgreiche Kampagne

Alle Schulen im Landkreis Coburg sind eingeladen, das Thema Alkoholmissbrauch im Unterricht zu behandeln und ihre Schüler bis zum 31. März Plakate dagegen entwerfen zu lassen. Verbunden mit der Kampagne ist die „Aktion Glasklar“, die seit 18 Jahren Schüler, Lehrkräfte und Eltern über das Thema Alkoholmissbrauch aufklärt. Seit 2010 haben bundesweit mehr als 122 000 Schüler Plakate gegen das Komasaufen gestaltet. „Bei bunt statt blau‘ werden junge Talente selbst zu glaubwürdigen Botschaftern gegen das Rauschtrinken“, so Seifarth.

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