Coburg/Lichtenfels Die Nöte der Bäcker

Martin Fleischmann
Brötchen backen benötigt viel Energie. Die explodierenden Kosten für Gas, Öl und Strom machen den heimischen Bäckern arg zu schaffen. Foto: /Fabian Sommer

Explodierende Energiepreise und massive Steigerungen bei den Kosten für die Zutaten machen den heimischen Betrieben arg zu schaffen. Und dazu der Personalmangel. Wie das Backen von Brot und Brötchen zur Herausforderung wird.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Nein, sie wollen nicht jammern. Das stellen Mathias Söllner und Roland Herppich am Dienstag gleich zu Beginn des Gesprächs im Gebäude der Lichtenfelser Kreishandwerkerschaft klar. Aber der Obermeister der Bäckerinnung Coburg-Neustadt-Lichtenfels und sein Stellvertreter zeigen auf, wie groß die Herausforderungen für die heimischen Bäckereien derzeit sind, in welcher Lage sie sich befinden. „Die Situation bewegt uns“, erklären beide.

Mehl 70 bis 100 Prozent teurer, Butter 70 bis 80 Prozent teurer und nur noch zum Tagespreis zu haben, Zutaten für die Weihnachtsbäckerei 50 bis 100 Prozent teurer. Dazu Energiepreise, die noch nicht abzusehen sind. Manche bezahlen allein für Strom jetzt schon 150 Prozent mehr, andere haben noch eine Vertrag bis Ende Dezember. Was dann an Abschlägen fällig wird, weiß niemand. „Es kann die wildesten Erhöhungen geben“, sagt stellvertretender Obermeister Herppich, früherer Inhaber von „Beiersdorfer Landbrot“. Eine Verdopplung der Strompreise sei eventuell noch verkraftbar, meint Obermeister Söllner, Herppich ist zurückhaltender, es komme auch darauf an, wie der einzelne Betrieb aufgestellt sei.

Gaspreisbremse nicht erst im Frühjahr

Dabei ist Strom nicht die Hauptenergiequelle beim Backen, die großen Backöfen werden mit Gas oder Öl auf Temperatur gebracht. „Die Gaspreisbremse muss kommen“, betonen die beiden Bäckermeister, eigentlich sofort, nicht erst im Frühjahr. Es sei höchste Zeit, dass Politiker begriffen, mit welchen Problemen der Mittelstand zu kämpfen habe. Derzeit müssten etwa zehn Prozent für Energie aufgewendet werden, das Dreifache als bisher, das sei zu hoch.

25 Euro für den Stollen

Bleibt eigentlich nur, die höheren Kosten an die Kunden weiterzugeben. Die normale Semmel, die in Oberfranken im Schnitt etwa 40 Cent kostet, müsste 10 bis 20 Cent mehr kosten, beim Kilo Roggenbrot, so Mathias Söllner, kommt man mit einer Erhöhung um einen Euro nicht hin, es müsse wohl zwei Euro teurer werden. Für den Weihnachtsstollen müssten angesichts der Preissprünge für Edelnüsse, Rosinen, Marzipan und Co. statt 15 Euro 25 Euro verlangt werden – und das sei gerade kostendeckend. Aber das werde der Kunde wohl nicht bezahlen, vermutet Roland Herppich, das sei auch eine Mentalitätssache in Deutschland. Man sei es gewohnt, dass Lebensmittel sehr preiswert sind. Das führe dazu, dass viele Bäcker in der Luft hingen und überlegten: „Kann ich das noch machen?“

Filialen müssen früher schließen

Neben der sich immer schneller drehenden Kostenspirale belastet die heimischen Betriebe ein weiteres Problem: der akute Personalmangel. Es sei extrem schwer, überhaupt einen Lehrling zu bekommen. Die Innungen aus Coburg, Lichtenfels, Kronach und Kulmbach schicken den Nachwuchs in die Berufsschule Kronach. Dort komme derzeit eine einzige Klasse mit zwölf Lehrlingen zustande. Und dabei sei nicht abzusehen, wie viele am Ende erfolgreich die Prüfung ablegen. Gesellen gebe es, aber jeder Betrieb versuche, die guten unbedingt zu halten – „die lässt niemand weg“. Auch Verkaufspersonal ist Mangelware. Der Obermeister: „Selbst große Bäckereien schließen ihre Filialen früher, weil sie keine Leute bekommen.“ Und das in 1a-Lagen. Extrem schwer sei es aber, einen Nachfolger für den Betrieb zu finden. Wenn sich niemand aus der Familie bereit erklärt, bedeute das mitunter das Ende.

Nur noch sieben Betriebe im Coburger Land

Gehen in weiteren Bäckereien der Region für immer die Öfen aus? Kurz vor der Jahrtausendwende zählte die Bäckerinnung Coburg-Neustadt noch 55 Mitgliedsbetriebe, erinnert sich Roland Herppich. Heute existieren in Stadt und Landkreis Coburg sowie Neustadt noch sieben. Mathias Söllner berichtet von einst gut 30 Bäckereien im Raum Lichtenfels, heute sind es noch neun.

Mit jeder Bäckerei, die schließt, nimmt die Vielfalt ab, denn jeder Bäcker kann etwas Besonderes. Roland Herppich erinnert etwa an den Coburger Bäcker Kolb, bei dem manchmal 50 bis 60 Leute anstanden nur wegen seiner Brötchen. Ähnlich begehrt waren die Sauerteiglaibchen von Bäckermeister Popp. So war es auch mit den Butterhörnchen der Bäckerei Hofmann in Lichtenfels und den Reißenweber-Brötchen in Michelau, ergänzt Mathias Söllner. Auch wenn die eine oder andere Bäckerei übernommen wird, gehen einmalige Spezialitäten für immer verloren, wenn nicht mehr vor Ort gebacken wird. Denn jeder Gärraum ist anders, sorgt für einen unnachahmlichen Geschmack, wie die beiden Bäckermeister erklären. Da hilft auch das beste Rezept nichts.

Kommen amerikanische Verhältnisse?

Mathias Söllner mag nicht ausschließen, dass es irgendwann zu amerikanischen Verhältnissen kommt: Nur noch ganz große Bäckereien und ganz kleine, die Spezialitäten von hoher Qualität anbieten. Dafür fahren Kunden dann Hunderte von Meilen und frieren die Waren zu Hause ein. Herppich gibt sich da zuversichtlicher.

Bei einem Treffen in der Handwerkskammer in Bayreuth wurde vor Kurzem auch das Thema Energiesparen angesprochen. Aber ein moderner Backofen koste zwischen 50 000 bis 100 000 Euro, eine Investitionssumme, die man haben müsse. Ähnlich kostspielig seien Gebäudesanierungen. Bei der Nutzung der Abwärme gebe es noch viel Luft nach oben in den Bäckereien, aber auch das sei mit hohen Investitionen verbunden. Keine Lösung ist es in ihren Augen, etwa nur jeden zweiten Tag zu backen, um Energie zu sparen: „Die Kunden erwarten frische Brötchen, das kann nicht funktionieren.“

Wie es weitergeht mit den Bäckereien im Raum Coburg-Lichtenfels? „Wir sind dennoch optimistisch“, erklärt Herppich, „das Bäckerhandwerk hat seine Daseinsberechtigung.“ Was beide sagen: „Qualität kostet Geld, das muss mehr ins Bewusstsein.“

Lieblingsbäcker gesucht

Gibt es ein Brötchen, Brot oder Gebäckstück eines heimischen Bäckers, das Sie ganz besonders schätzen? Mailen oder schreiben Sie uns, was Sie so gerne mögen und die dazugehörige Bäckerei unter dem Stichwort „Lieblingsbäcker“. An: Redaktion Neue Presse, Steinweg 51, 96450 Coburg. oder

martin.fleischmann@np-coburg.de

Bilder