Coburg Rasante Flieger

Gertrud Pechmann
Falkner-(Ehe-)Paar Achim Schmidt und Gina Biernath mit Gerfalken-Dame Coco Chanel auf dem Flugvorführungsplatz vor Schloss Tambach. Foto: Frank Wunderatsch

Im Bayerischen Jagdfalkenhof im Wildpark Schloss Tambach können Besucher Greifvögel aus nächster Nähe beobachten.Und erleben, was Tier und Mensch zusammen leisten. Gänsehautmomente inklusive.

 
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Weitramsdorf – Franz ist Adrenalin pur. Der Sakerfalke plustert die Brust auf, dass die Federchen zittern, tritt ungeduldig von einem Bein aufs andere. Gleich geht es los. Gleich kann er zeigen, was er am besten kann. Franz ist ein wichtiger Protagonist der Flugvorführung von Gina Biernath und Achim Schmidt, beide Falkner in der Zweigstelle des Bayerischen Jagdfalkenhofes im Wildpark Schloss Tambach: Der Falke demonstriert, wie schnell er Beute in der Luft schlagen kann. Aber noch muss sich Franz in Geduld üben.
Er ist der letzte Vogel, der heute vor Publikum fliegen wird.

Damit die Vorführung gelingt, arbeitet das Falkner-Team hinter den Kulissen eifrig für das Gelingen. „Die Tiere brauchen Zeit und Zuwendung“, betont Achim Schmidt, der seit 2012 in Tambach tätig ist. Nur die täglicheArbeit mit den Greifvögeln baue Vertrauen zwischen Mensch und Tier auf – die Basis schlechthin für eine Kooperation. „Ohne Kooperation keine Flugvorführung“, bringt es der Falkner auf den Punkt. Das Team mit Achim Schmitt, Gina Biernath, und Nachwuchsfalkner Luca Wiche trainiert die Vögel deshalb jeden Tag. Sie lernen unter anderem, auf dem Handschuh des Falkners Platz zu nehmen, von dort aus zu starten und wieder zurückzukehren. Oder zwischen zwei Personen hin und her zu fliegen. Oder nach einem
Federspiel zu haschen. Für ihre Leistung gibt es immer eine Belohnung: Im Falknerhandschuh warten Eintagsküken, Rinderherz oder Fisch auf sie. „Vegetarier oder Veganer gibt es unter den Greifvögeln nicht“, erklärt Gina Biernath. „Das sind alles Fleisch- oder Fischfresser.“ Das Futter ist für die Tiere die Motivation
schlechthin: Greifvögel fliegen nämlich nicht zu ihrem Vergnügen, sondern um Beute zu schlagen.

Bevor es ans Fliegen geht, gewöhnen die Falkner einen Vogel ans Publikum: Sie tragen ihn vor den Zuschauern „ab“, wie Gina Biernath es bezeichnet. Die Vögel müssen lernen, die Geräuschkulisse sowie Gegenstände wie Handys, Rücksäcke und Kinderwägen zu tolerieren. „Das ist die wichtigste Übung. Erst wenn sie das verinnerlicht haben, lassen wir unsere Vögel fliegen“, betont Biernath. Neben den Tieren müssen auch die Falkner eine gewisse Stress-Toleranz aufbauen, denn manche Besucher verhalten sich im Greifvogelzoo fahrlässig. „Wir hatten hier schon Leute, die über die Absperrungen geklettert sind, Babykatzen oder ihr Frettchen mitgebracht haben“, erinnert sich die Falknerin. Aber Greifvögel sind keine Kuscheltiere. Kommt ihnen ein potenzielles Beutetier zu nahe, kann es gefährlich werden – für das Haustier.
Und auch für unvorsichtige Besucher. Denn die Krallen der Beutegreifer sind scharf wie Rasierklingen und üben einen immensen Druck aus. Deshalb behalten die Falkner nicht nur den Vogel im Auge, sondern auch
das Publikum.


Wenn die Tiere gewogen, gefüttert und trainiert sind, brauchen sie erst mal eine Pause. Das Falkner-Team kümmert sich derweil um die Zuschauer. Gemäß den Corona-Regeln sammeln sie die persönlichen Angaben
der Gäste, zählen durch und weisen den Zuschauern feste Plätze auf der Tribüne und auf den Bänken rechts und links zu. Punkt 15 Uhr betritt Gina Biernath mit Headset den Rasen vor Schloss Tambach und schärft den Zuschauern die wichtigste Regel während der Flugvorführung ein: „Ducken ist keine Schande, denn unsere Vögel fliegen tief, um Energie zu sparen“, erklärt sie. Und dass der Applaus ein wichtiges Signal für die Vögel ist. „Sie wissen dann, dass ihre Aufgabe beendet ist.“

Und dann wirkt er, der Zauber, den die Falkner zusammen mit Lannerfalken-Dame Oda, Königsrauhfußbussard-Regalis Mauseline, Steppenadler Terry und Adlerbussard Luna erschaffen. Luca Wiche trägt Oda ohne Eile an den Sitzreihen entlang. Kinder und Erwachsene reißen die Augen auf und schauen gebannt auf den schlanken Falken. „Früher gingen adelige Damen mit Vögeln wie Oda auf die Jagd“, erzählt Gina Biernath ihnen. Danach fliegt „Mauseline“ knapp über den Köpfen des Publikums zwischen ihr und ihrem Kollegen Achim Schmidt hin und her. Das Publikum ist begeistert. Und Mauseline
verspeist zufrieden ein Küken. Steppenadler Terry lässt die Vorführung gemächlich angehen:
Er gönnt sich eine Verschnaufpause und läuft erstmal über den Rasen, bevor er den Handschuh von Gina erklimmt. Dann beginnt er mit seinen Tiefstflügen und hält das Publikum in Bewegung – spätestens jetzt
weiß jeder, was Gina mit „Ducken!“ meint. Adlerbussard Luna fliegt routiniert die Terrasse an und über die Holztribüne zurück.

Und dann ist der große Moment da. Auftritt von Franz, dem Sakerfalken. Wie ein Düsenjet schießt das kleine Kraftbündel durch die Luft, holt sich das Küken im Flug. Gleich einem Pfeil saust er zwischen seinen beiden Lieblingsbäumen rechts und links der Tribüne hin und her, oft so schnell, dass ihn die Zuschauer aus den Augen verlieren. Nie hört er auf, mit seinen Flügeln zu schlagen, nie verliert er den Blickkontakt zu Gina oder Achim. Im Horizontalflug kann Franz mehr als 200 Stundenkilometer schnell fliegen.

Donnernder Applaus. Kai Wünschmann aus Suhl und seine Freundin sind fasziniert. Das Können der Vögel wie der Falkner beeindruckt das Paar. „Mein persönliches Highlight war der Falke zum Schluss. Ich konnte
ihm für einen Moment direkt in die Augen sehen. Das hat mich berührt“, sagt Kai Wünschmann. Falke Franz wäre zufrieden, hätte er das gehört.

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