Coburg „Spaziergänger“ ignorieren Corona-Regeln

Montag für Montag ziehen Gegner der Einschränkungen der Corona-Pandemie und einer möglichen Impfpflicht durch die Coburger Innenstadt. Das Bündnis „Wir sind bunt: Coburg Stadt und Land“ kritisiert die unangemeldeten Demonstrationen. Die Bezeichnung „Spaziergang“ sei verniedlichend, damit werde das Versammlungsrecht mit Füßen getreten. Foto: Frank Wunderatsch/Frank Wunderatsch

Nahezu kein Teilnehmer hält sich an die Vorgaben der Stadt. Die Polizei beschränkt sich auf die Gefahrenabwehr, und das Bündnis „Wir sind bunt: Coburg Stadt und Land“ kritisiert die unangemeldeten Demonstrationen.

 
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Coburg - Die Allgemeinverfügung der Stadt Coburg, dass beim „Corona-Spaziergang“ am Montagabend in der Innenstadt ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden muss, ist nahezu nicht beachtet worden (Neue Presse vom Dienstag). Fast kein Teilnehmer trug eine Maske, um sich und andere vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen. Auch das Abstandsgebot wurde nicht eingehalten. Dagegen wurden keine als gefährlich eingestuften Hunde bei dem Spaziergang mitgeführt.

Ursprünglich habe man geplant, dafür zu sorgen, dass die Vorgaben der Stadt eingehalten werden, sagte Stefan Probst, Pressesprecher der Polizeiinspektion Coburg, am Dienstag. Dazu habe man Unterstützung bei der Bereitschaftspolizei (Bepo) in Bamberg angefordert. Franziska Schramm, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Oberfranken in Bayreuth, erläuterte, die Gesamteinschätzung der Lage habe ergeben, dass für den „Corona-Spaziergang“ am Montag in Coburg keine Kräfte der Bereitschaftspolizei vorgesehen werden müssten. Sie seien anderweitig eingesetzt worden; wo, wollte die Sprecherin aus „polizeitaktischen Gründen“ nicht sagen. Für Coburg habe sich gezeigt, dass die Versammlung friedlich verlaufen sei. Für kommende Veranstaltungen werde die Lage neu bewertet, so Franziska Schramm.

Gefahrenabwehr

Weil weniger Kräfte zur Verfügung standen, habe man den Schwerpunkt bei der Demonstration, bei der erstmals „Corona-Spaziergänger“ und Gegner der Bewegung direkt aufeinander trafen, auf die Gefahrenabwehr gelegt, betonte Stefan Probst. Kritische Punkte seien dabei die Rosengasse und die Ecke Marktplatz/Stadthaus/Herrngasse gewesen.

Hier trafen beide Gruppen aufeinander. Den „Spaziergängern“ wurde dabei mit laut gerufenen Parolen sowie Transparenten vorgehalten, mit Nazis gemeinsame Sache zu machen. Teilweise war die Stimmung hier aggressiv. Die Demonstranten wiederum wiesen die Vorwürfe mit Nachdruck zurück, man trete für seine demokratischen Grundrechte ein. Aus deren Reihen habe es einzelne Personen gegeben, die nach Auskunft der Polizei gegen die Antifa agiert hätten. Mitglieder dieser linksgerichteten Organisation hatten sich der Kundgebung am Marktplatz angeschlossen, die ein „Coburger Freundeskreis“ bei der Stadt angemeldet hatte. Der „Freundeskreis“ stellte auch einen Ansprechpartner für Behörden und Journalisten.

Erneut nicht angemeldet war der „Spaziergang“ durch die Innenstadt. Hier liefen auch Mitglieder des rechtsgerichteten „Dritten Wegs“ mit, deren Zahl die Polizei mit „nicht einmal eine Handvoll“ angab. Ein für die Veranstaltung Verantwortlicher gab sich nicht zu erkennen.

Eskalation verhindert

Polizeibeamte hätten verhindern können, dass die Kontrahenten direkt aufeinandertrafen. „Das hat gut funktioniert, wir haben dazwischen gestanden“, sagte Stefan Probst. Der Polizeisprecher erklärte, dass beim nächsten „Corona-Spaziergang“ in Coburg wieder mehr Polizeikräfte eingesetzt werden sollen. Bei der konkreten Planung müsse man zudem abwarten, ob – wie vergangenen Montag – weitere Demonstrationen angekündigt werden.

„Coburger Erklärung“

Das Netzwerk für Menschenrechte und Demokratie „Wir sind bunt: Coburg Stadt und Land“ veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung. Darin wird gewürdigt, dass die meisten Bürger zur Bekämpfung der Pandemie beitragen würden. „Die größte Bewegung dieser Tage ist die Impfbewegung“, heißt es in der „Coburger Erklärung“. Das sei ein „sehr positives Zeichen, denn die Impfung ist nachweislich das wirksamste Mittel, das wir dem Virus entgegensetzen können“.

Das Bündnis, das mehr als 150 Institutionen und Privatpersonen aus der Stadt und dem Landkreis Coburg tragen, zeigt sich beunruhigt über die Demonstrationen, „die mit der verniedlichenden Deklaration ,Spaziergang’ (...) stattfinden“. Dabei werde das Versammlungsrecht „bewusst umgangen und mit Füßen getreten“. Die Teilnehmer hielten sich bewusst nicht an Regeln und Gesetze, „die unsere Demokratie ausmachen“. Sie gefährdeten sich und andere und zeigten eine zunehmende Gewaltbereitschaft. Das verurteile das Bündnis.

Es appelliert „mit Nachdruck“ an alle Demokraten, nicht mit Reichsbürgern, Holocaustleugnern, Verschwörungsanhängern, Antisemiten und Neonazis auf die Straße zu gehen, „sondern sich deutlich von diesen zu distanzieren. Keine Sorgen, keine Kritik, keine Empörung und auch keine Enttäuschung rechtfertigten den Schulterschluss mit den Feinden unserer Demokratie“.

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