Ermittlungen KZ-Aufseher aus Coburg

Wolfgang Braunschmidt
Die Staatsanwaltschaft Coburg ermittelt gegen einen ehemaligen SS-Wachmann des Nazi-Konzentrationslagers Ravensbrück. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentral/Carsten Koall

Ein Mann, der im Landkreis wohnt, soll in der Nazi-Diktatur im Konzentrationslager Ravensbrück als Wachmann eingesetzt gewesen sein. Dafür soll sich der Hochbetagte vor Gericht verantworten müssen. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zum Mord.

 
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Die SS hat ab 1939 in Ravensbrück, das im Bundesland Brandenburg liegt, das größte Frauen-Konzentrationslager auf deutschem Gebiet errichtet. 1941 wurde ein Männerlager angegliedert. Ein Mann, der heute im Landkreis Coburg lebt, soll dort von April 1943 bis Mai 1945 als Wachmann eingesetzt gewesen sein. Gegen ihn ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft Coburg wegen Beihilfe zum Mord, bestätigte deren Sprecher Johannes Tränkle am Mittwoch einen Bericht der Berliner Tageszeitung taz.

Im KZ Ravensbrück sind zwischen 1939 und 1945 etwa 120 000 Frauen und Kinder, 20 000 Männer und 1200 weibliche Jugendliche als Häftlinge registriert worden, informiert die Gedenkstätte Ravensbrück. Die Deportierten stammten aus 30 Nationen, unter ihnen Jüdinnen und Juden sowie Sinti und Roma. Zehntausende wurden ermordet, starben an Hunger, Krankheiten oder bei medizinischen Experimenten. Im Rahmen der Aktion „14 f 13“ wurden etwa 1900 Häftlinge ermordet, die als behindert oder arbeitsunfähig galten.

Der Dokumentation über das KZ Ravensbrück ist zu entnehmen, dass es ab 1941 als Hinrichtungsstätte diente. Zahllose Frauen – genaue Aufzeichnungen existieren nicht – wurden erschossen. 1945 richtete die SS eine Gaskammer ein, in der von Januar bis April bis zu 6000 Häftlinge ermordet wurden, bevor die Rote Armee das KZ befreite.

Zurück gehen die Ermittlungen gegen den früheren Wachmann aus dem Coburger Land auf ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Neuruppin. Sie hat es im Fall von P., der 98 Jahre alt ist und gebrechlich sein soll, an die Staatsanwaltschaft Coburg abgegeben, weil er seinen Wohnsitz in deren Zuständigkeitsbereich hat. Der Mann war zum Zeitpunkt der Taten, die ihm zur Last gelegt werden, nicht volljährig. Deshalb gilt für ihn das Jugendstrafrecht.

Wann mit dem Beginn einer Verhandlung vor dem Landgericht Coburg zu rechnen ist, kann Johannes Tränkle derzeit nicht abschätzen. Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig. So müssten für die Anklage zur Begründung einer individuellen Schuld beispielsweise Gutachten eingeholt werden, um die historischen Hintergründe der damaligen Zeit einordnen zu können. „Das dauert“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

In den 1960er Jahren hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die bloße Anwesenheit als Aufseher in einem KZ für eine Verurteilung nicht ausreicht. 2011 kam die Wende in der Rechtssprechung. Das Landgericht München verurteilte den gebürtigen Ukrainer John Demjanjuk, der Wachmann im Vernichtungslager Sobibor in Polen war, wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 28 060 Fällen. Demjanjuk konnte zwar keine Beteiligung an Tötungen nachgewiesen werden, doch reichte den Richtern die bloße Anwesenheit in Sobibor für das Urteil aus.

Dass es das Verfahren gegen den hochbetagten P. gibt, begründet Gerhard Amend, früherer Vorsitzender Richter am Landgericht Coburg, damit, dass Mord nicht verjährt. Ein hohes Alter bedeute nicht, „dass die Justiz keine Strafverfolgung mehr betreiben kann“. Zudem sei man gegenüber den Opfern der Nazi-Herrschaft verpflichtet, Männer und Frauen, die damals Schuld auf sich geladen haben, zu verurteilen – auch 77 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur.

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