In der Po-Ebene ist rund 40 Prozent der italienischen Landwirtschaftsproduktion konzentriert. Laut behördlichen Schätzungen dürften die Ernteausfälle teils dramatisch werden: 80 Prozent bei den Zuckerrüben, 50 Prozent bei Soja und 25 bis 30 Prozent bei Mais und Getreide. Und das in einem Jahr, in dem die Lieferungen aus der Ukraine ganz oder teilweise ausbleiben. Mit am meisten leiden die Reisbauern: „Wenn es nicht sehr bald regnet, gibt es ein Desaster“, betont Paolo Carrà, Präsident der Reisproduzenten von Novara, Biella und Vercelli im Piemont. In dieser Jahreszeit müssten die Reisfelder eigentlich geflutet werden, was angesichts des dramatischen Tiefstands der Flüsse derzeit kaum möglich sei. Er rechnet mit Ernteausfällen von 50 bis 70 Prozent. Nicht besser sieht es bei der Ernte von Früchten und Gemüsen aus. Laut dem Kleinbauernverband Coldiretti drohen Milliardenschäden – und weitere Preiserhöhungen bei den Lebensmitteln.
Attilio Fontana, Präsident der Lombardei, hat bereits den Notstand verhängt – die gleiche Maßnahme haben auch seine Kollegen im Piemont und in der Emilia-Romagna ergriffen. Die Gouverneure fordern von der Regierung in Rom, den Notstand auch auf nationaler Ebene auszurufen, damit die Hilfsmaßnahmen unter den Regionen besser koordiniert werden könnten. Der nationale Zivilschutzchef Fabrizio Curcio erklärte diese Woche, dass die Arbeiten an einem Notfallplan auf Hochtouren liefen und der landesweite Notstand bald verhängt werden könnte. „Dann ist nicht auszuschließen, dass das Wasser in den am schwersten betroffenen Regionen auch tagsüber rationiert werden muss“, betonte Curcio.
Auch der Gardasee leidet unter der Trockenheit. Der Wasserstand sei derzeit etwa einen halben Meter niedriger als vor einem Jahr, sagte Pierlucio Ceresa vom Verband der Gemeinden am Gardasee. Auf das Baden im See habe das allerdings keine Auswirkungen. Ceresa mahnte jedoch, vor dem Springen in den See etwa von Felsen, die Tiefe zu prüfen.
Es fehlt auch an Kühlwasser
Wegen der Trockenheit im Fluss Po gab es bereits die Idee, Wasser aus dem Gardasee zu entnehmen, immerhin handelt es sich beim Gardasee mit seinem Fassungsvermögen von 50 Milliarden Kubikmetern um das größte Wasserreservoir Oberitaliens. Während Meuccio Berselli, Leiter der Regulierungsbehörde für den Po, von den Gardasee-Gemeinden „Kollegialität und Zusammenarbeit“ fordert, wehren sich diese gegen das Ansinnen. „Wir müssen unsere Schifffahrt und die Fische schützen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Bauern rund um den See auch im August noch ihre Kulturen bewässern können“, betont Pierlucio Ceresa, Geschäftsführer des Gemeindeverbands Garda. Außerdem bringe der um 30 Kubikmeter pro Sekunde erhöhte Abfluss dem Po gar nichts: „Der Fluss bräuchte im jetzigen Zeitpunkt mindestens 500 zusätzliche Kubikmeter pro Sekunde. Das Einzige, was wir mit der Öffnung der Schleusen erreichen, ist, dass nach dem Po auch noch der Gardasee krank wird.“
Die Wasserknappheit des Po hat auch Auswirkungen auf die Stromversorgung: Weil es an Kühlwasser fehlt, musste bei Mantua bereits eines von drei Gaskraftwerken vom Netz genommen werden. Das weckt Erinnerungen an den „großen Blackout“ von 2003, das ebenfalls ein extremes Dürrejahr war: Damals mussten – allerdings erst im September und nicht schon im Juni – gleich mehrere thermische Kraftwerke außer Betrieb gesetzt werden, weil sie nicht mehr gekühlt werden konnten. Dann stürzte während eines Gewitters in den Schweizer Alpen ein Baum auf eine wichtige Hochspannungsleitung, die Italien mit Importstrom versorgte – und in der Folge gingen wegen des plötzlichen Spannungsabfalls in einer Kettenreaktion von Turin bis Palermo in ganz Italien die Lichter aus.