Glasindustrie am Rennsteig Söder verspricht Hilfe

Der Ministerpräsident will den Kreis Kronach zu einer Modellregion für die CO2-freie Produktion von Glas machen. Dadurch will er die Energiepreise in den Griff kriegen.

 
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Markus Söders Dienst-BMW hatte das Firmengelände gerade erst verlassen, da bekam es Nikolaus Wiegand schriftlich: „In zwei Jahren werden sich die ersten Windräder drehen“, steht in der SMS, die der Ministerpräsident dem Geschäftsführer von Wiegand-Glas geschickt hat. Eine so konkrete Zusage des CSU-Chefs hatte Wiegand nicht erwartet. Und es war nicht die einzige an diesem Freitag.

Die hiesigen Verantwortlichen der CSU hatten den Ball vor dem Besuch Söders bewusst flach gehalten. Er wolle der Region seinen Respekt bekunden, den von explodierenden Energiepreisen erschütterten Glashütten seine Unterstützung signalisieren – einfach zuhören und da sein. Und als der Ministerpräsident nach den Beratungen mit Firmenchefs und Lokalpolitikern vor die Presse trat, klang es zunächst auch so. Von einer „ganz großen Sorge“ sprach er, weil Unternehmen und Menschen der Mittelschicht in Existenznöte kämen. Er schickte Warnungen an den Bund, der letztlich in dieser Frage alle Hebel in der Hand habe – und forderte „massive Steuersenkungen“.

Konkrete Ankündigung

Doch dann wurde Markus Söder doch konkreter. Die Staatsregierung wolle auch selbst aktiv werden und ein „neues, starkes Pilotprojekt“ unterstützen. Dieses soll den Landkreis Kronach in die Lage versetzen, „die Region durch Selbstversorgung zu stärken“. Dadurch soll es beispielsweise möglich werden, den von den Glashütten geforderten Windpark am Rennsteig in einem beschleunigten Verfahren zu genehmigen – und bisher geltende Abstandsregelungen auf den Prüfstand zu stellen. „Das ist neu in dieser Form und soll eine Beteiligung von Bürgern und Kommunen ermöglichen“, sagte Söder. Zudem kündigte er an, alle bestehenden Förderprogramme des Freistaats noch einmal auf mögliche Hilfsoptionen für die Glasindustrie zu überprüfen.

Landtagsabgeordneter Jürgen Baumgärtner erklärte im Anschluss, was genau hinter dem vor Ort entwickelten Konstrukt einer Modellregion Franken/Thüringen steckt. Konkret gehe es darum, die Unternehmen in beiden Bundesländern bei der Transformation hin zur CO2-freien Glasproduktion zu unterstützen. So sollen Erneuerbare Energien wie Wind und Solar schnell massiv ausgebaut und die Grundlagen für den Einsatz von Wasserstofftechnologie geschaffen werden – staatlich mitfinanziert. Das Ziel sei, die Unternehmen anfangs so stark wie möglich zu subventionieren, damit sie möglichst schnell auf eigenen Beinen stehen könnten. Dann könne man die Subventionen auch wieder herunterfahren. „Wir müssen dabei natürlich die Beihilferichtlinien im Blick haben“, sagte Baumgärtner. Er sei jedoch zuversichtlich, dass es hier keine unüberwindbaren rechtlichen Hürden gebe.

Landkreis soll Energie-Unternehmen aufbauen

Außerdem gehe es darum, vor Ort eine bessere Infrastruktur zur Energieversorgung zu schaffen. Einerseits durch einen beschleunigten Netzausbau, andererseits durch den Aufbau landkreiseigener Unternehmensstrukturen, um so selbst zum Stromerzeuger werden zu können.

Schnellstmöglich soll eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Vertretern von Lokalpolitik und hiesiger Wirtschaft die nächsten Schritte in diese Richtung konkret planen. „In drei Wochen wird unser Konzept stehen“, kündigte Baumgärtner an. Ein Projektmanager, der eigens hierfür eingestellt werde, soll danach als Scharnier zwischen dem Kronacher Landratsamt und der bayerischen Staatsregierung fungieren. Baumgärtners Fazit: „Es ist heute gelungen, dem Ministerpräsidenten eindrucksvoll nahe zu bringen, dass es hier ein Existenzproblem gibt. Und er hat klar signalisiert: Alles, was Bayern tun kann, wird Bayern tun.“

Die Vertreter der Glashütten am Rennsteig äußerten sich nach dem Besuch des Ministerpräsidenten vorsichtig optimistisch. „Es geht in die richtige Richtung“, sagte Nikolaus Wiegand. Auch Carletta Heinz, Geschäftsführerin von Heinz-Glas, ist überzeugt: „Es kann Lösungen geben, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt.“

Große Chancen für die Transformation

Die Glasindustrie ist nach Überzeugung der Firmenchefs am Rennsteig besonders gut geeignet für die Transformation hin zu einer nahezu kohlendioxidfreien Produktion. „Glas lässt sich grundsätzlich elektrisch schmelzen; auch hybride Varianten mit Wasserstoff-Lösungen sind denkbar“, heißt es in dem Informationspapier, das Wiegand-Geschäftsführer Nikolaus Wiegand am Freitag Ministerpräsident Markus Söder vorstellte. Schätzungen des Bundesverbands Glas zufolge seien hierfür jedoch mehr als 2,5 Milliarden Euro an Investitionen nötig.

Zuletzt schnüren die Energiepreise den Unternehmen die Luft zum Atmen ab. Mussten sie im Jahr 2020 noch 37,6 Millionen Euro für Gas und Strom bezahlen, werden dafür heuer laut Prognose satte 183,3 Millionen Euro fällig.

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