Ilse-Kohn-Platz Zeichen gegen Antisemitismus

Der Bausenat hat beschlossen, den namenlosen Platz vor dem Gräfsblock in Coburg nach Ilse Kohn zu benennen. Hier verlebte die Frau ihre Kindheit und Jugend. Weil sie Jüdin war, wurde sie von Nazis ermordet. Mit der Widmung stellt sich die Stadt gegen Fremdenfeindlichkeit.

 
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Der Gräfsblock, der 1937 eingeweiht wurde und in dem heute das Stadtcafé eingerichtet ist, sollte – so die Nazi-Propaganda – ein Symbol für die Schaffenskraft des Dritten Reiches und der NS-Stadtregierung sein. Am Freitagabend ist der Platz vor dem Gebäude in einer Gedenkfeier nach Ilse Kohn benannt worden, einer Coburgerin jüdischen Glaubens, die in einem NS-Konzentrationslager ermordet wurde.

Dass die Umbenennung am 14. Oktober stattfand ist ein bewusst gesetztes Symbol. Am gleichen Tag vor 100 Jahren begann der „Deutsche Tag“ in Coburg, der mitentscheidend war für den Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland, die auch für unfassbare Gräueltaten an jüdischen Mitbürgern verantwortlich sind. Wenn der Platz vor dem Gräfsblock der direkt gegenüber aufgewachsenen Ilse Kohn gewidmet werde, sei dies ein Zeichen gegen Rassismus, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, sagte 3. Bürgermeister Can Aydin (SPD). Gemeinsam mit 2. Bürgermeister Hans-Herbert Hartan (CSU) brachte er im Beisein zahlreicher Coburgerinnen und Coburger Blumen an den beiden Schildern an, die den Namen von Ilse Kohn tragen.

Aydin sagte, ihr Schicksal und das ihrer Familie stehe beispielhaft für die mehr als 300 Jüdinnen und Juden, die um 1920 in Coburg lebten. Mit der Widmung eines Platzes in Gedenken an Ilse Kohn wolle die Stadt an die Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen europäischer und damit auch Coburger Juden durch das NS-Regime erinnern. „Diese Zeit darf sich nie wieder wiederholen“, betonte der 3. Bürgermeister.

Der 14. Oktober, an dem sich der „Deutsche Tag“ in Coburg zum 100. Mal jährte, sei nach Überzeugung von Can Aydin richtig gewählt, um gegen die Gräueltaten der Nazis ein Zeichen zu setzen: „Wir wollen diesem schlimmen Tag unserer Geschichte eine neue Erinnerungskultur geben.“ Bei der Eröffnung der Ausstellung zum „Deutschen Tag“ am Mittwoch im Staatsarchiv hatte auch Gert Melville, Vorsitzender der Historischen Gesellschaft Coburg, Kritik an der Datumswahl zurückgewiesen. Es gebe, so Melville, kein stärkeres Signal, als an einem solchen Tag an einem Platz, der den Nationalsozialisten zur Verherrlichung ihrer Ideologie gedient habe, ein Symbol gegen deren Verbrechen und das schreckliche Kapitel der Judenvernichtung zu setzen.

Das unterstrich Stadtheimatpfleger Christian Boseckert in der Gedenkstunde am Freitag. Als „Platz der Alten Garde“ sei der Ort vor dem Gräfsblock ab 1937 Teil der nationalsozialistischen Erinnerungskultur gewesen. Gleichzeitig hätten die Nazis hier symbolisch und propagandistisch ihre Vorstellung von Stadthygiene zum Ausdruck gebracht. „Stadthygiene bedeutete in ihren Augen die Entfernung aller der Menschen, die nicht zur sogenannten Volksgemeinschaft gehören sollten. Gemeint waren die politischen Gegner und vor allem die Juden“, erläuterte Boseckert. Deshalb seien der Ort und das Datum, den Platz Ilse Kohn zu widmen, gut gewählt, um eine neue Erinnerungskultur zu begründen.

In einer Zeit, in der die Zahl der lebenden Zeugen der Shoa, der Judenvernichtung, zurückgeht und Antisemitismus und Verharmlosungstendenzen zunehmen, sei es „unsere Aufgabe, an die Brutalität und Grausamkeit der NS-Zeit mit Nachdruck zu erinnern“, betonte der Stadtheimatpfleger. Das Schicksal der Familie Kohn „steht beispielhaft für jene Brutalität und mörderische Gewalt“.

Der Beschluss des Bausenats, den Platz Ilse Kohn zu widmen, sei „ein weiteres Zeichen gegen Intoleranz, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit in der Stadt“, schreibt Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) in einem Grußwort zur Gedenkfeier. Coburg sei weltoffen und tolerant. „Daher sehen wir uns in der Verantwortung, der dunklen Geschichte der Stadt klar und eindeutig entgegenzutreten: ,Nie wieder!“, betont der OB. Neben den in der Stadt verlegten „Stolpersteinen“ werde mit dem Ilse-Kohn-Platz „ein weiteres sichtbares Zeichen gegen das Vergessen gesetzt“.

Ermordet im KZ

Ilse Kohn
 kam 1906 als Tochter des aus Böhmen stammenden jüdischen Textilkaufmanns Siegfried Kohn und seiner Ehefrau Hermine zur Welt. Seit 1909 lebte sie mit ihren Eltern in der Mohrenstraße 36.

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