Impfpflicht So stimmten die heimischen Abgeordneten ab

Einmal Nein, zweimal Ja: So stimmten die heimischen Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU), Manuela Rottmann (Grüne) und Sabine Dittmar (SPD). Foto: René Ruprecht

Für die Einführung einer Corona-Impfpflicht ab 60 Jahren gab es aus dem heimischen Wahlkreis zwei Ja- und eine Neinstimme. Frustriert über die Abstimmung in Berlin zeigen sich lokale Politikvertreter vor Ort.

 
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Die Einführung einer Corona-Impfpflicht ist im Bundestag vorerst gescheitert. Nur 296 Abgeordnete stimmten am Donnerstag für den aussichtsreichsten Gesetzentwurf zum Kompromiss einer Impfpflicht ab 60 Jahren, 378 votierten dagegen, neun enthielten sich. Von den unterfränkischen Bundestagsabgeordneten waren unter den Gegnern der Aschaffenburger FDP-Abgeordnete Karsten Klein (der Würzburger Liberale Andrew Ullmann stimmte dafür), und auch der Schweinfurter Linken-Abgeordneten Klaus Ernst sprach sich gegen den Entwurf aus. Ein „Nein“ gab es von sämtlichen CSU-Vertretern: Dorothee Bär (Wahlkreis Bad Kissingen), Paul Lehrieder (Würzburg), Alexander Hoffmann (Main-Spessart), Andrea Lindholz (Aschaffenburg) und Anja Weisgerber (Schweinfurt).

„Eine Impfpflicht ist in der jetzigen Lage nicht verhältnismäßig“, erklärt die Ebelsbacherin Dorothee Bär am Freitag gegenüber der Neuen Presse. Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass Omikron trotz hoher Infektionszahlen das Gesundheitssystem nicht überlaste. „Es braucht eine gute Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit“, so Bär. Deshalb habe sie am Donnerstag für das Impfvorsorgegesetz auf Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und gegen eine sofortige Impfpflicht gestimmt. „Mit unserem Vorschlag würden wir die Voraussetzung schaffen, dass Bundestag und Bundesrat, beispielsweise bei einer neuen Variante im Herbst, eine stufenweise Impfpflicht schnell aktivieren könnten“, erklärt die Wahlkreisvertreterin aus den Haßbergen: „Zeitgleich stellten wir mit unserem Gesetz sicher, dass unmittelbar mit dem Aufbau eines Impfregisters begonnen wird, denn eine valide Datengrundlage wäre für eine praxistaugliche Umsetzung unabdingbar.“ Obwohl der eigene Antrag bereits abgelehnt gewesen sei, hätten sich die drei Regierungsparteien nicht in der Lage gesehen, dem Unions-Vorschlag zuzustimmen, ärgert sich Dorothee Bär. Dennoch stehe man natürlich weiter für Gespräche bereit, um „bestmöglich vorbereitet in den Herbst und Winter“ zu gehen, so Bär.

Für eine Impfpflicht hatten dagegen die beiden unterfränkischen Grünen-Vertreter Manuela Rottmann aus dem hiesige Wahlkreis sowie Niklas Wagener (Aschaffenburg) gestimmt, ebenso wie die Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, Sabine Dittmar (SPD) und der Schweinfurter SPD-Abgeordnete Markus Hümpfer. Eine Enthaltung gab es von Bernd Rützel (Main-Spessart).

„Ich habe bis zuletzt gehofft, dass eine Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag für die Einführung der Impfpflicht stimmen würde“, gesteht Sabine Dittmar, die gemeinsam mit Manuela Rottmann und Dorothee Bär den Wahlkreis Bad Kissingen in Berlin vertritt. „Als Medizinerin bin ich fest davon überzeugt, dass wir einen umfassenden Impfschutz innerhalb unserer Bevölkerung benötigen“, sagt die Maßbacherin: „Nur mit einer hohen Grundimmunität gehen wir gut vorbereitet in den nächsten Herbst und können eine Überlastung unseres Gesundheitssystems vermeiden. Ansonsten drohen erneut Lockdowns mit grundrechtseinschränkenden Maßnahmen und massiven Auswirkungen auf unsere Wirtschaft.“ Dass der Schutz der Bevölkerung letztendlich zum Spielball parteipolitischer Überlegungen geworden sei, hätte sie nicht erwartet, so Dittmar.

Auch die Hammelburgerin Manuela Rottmann bedauert, dass bei der Abstimmung am Donnerstag keine Einigung erzielt werden konnte: „Das ist eine vertane Chance, denn mit dem vorgelegten Kompromiss hätten wir wirkungsvoll verhindern können, dass uns allen im Herbst und Winter möglicherweise wieder weitreichendere Einschränkungen drohen. Gerade die Unionsfraktion hat sich hier vor ihrer staatspolitischen Verantwortung weggeduckt.“

Auch die anderen Anträge zur Impfpflicht, die dem Bundestag am Donnerstag vorlagen, bekamen keine Mehrheit. Der Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, ein Impfvorsorgegesetz zu erarbeiten, kam auf 172 Ja-Stimmen; nur 85 Stimmen (darunter von Klaus Ernst/Linke) erhielt der Antrag der Gruppe um Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), der eine Impfpflicht grundsätzlich ablehnt, ebenso wie der entsprechende AfD-Antrag, der auf 79 Stimmen kam.

Frustriert über die Abstimmung zeigen sich auch die lokalen Vertreter vor Ort. „Wir können uns hier unten abstrampeln, wie wir wollen“, machte der stellvertretende Landrat im Haßbergekreis, Oskar Ebert (FW) seinem Ärger am Donnerstagabend bei der kreisweiten virtuellen Impfkonferenz Luft. Wenn die Weichen „in der Politik oben“ nicht gestellt würden, seien alle Anstrengungen auf lokaler Ebene umsonst. „Was in Berlin abgelaufen ist, ist auf kommunaler Ebene nicht nachvollziehbar“, formulierte es der Sander Bürgermeister Bernhard Ruß (SPD). Dem schlossen sich die SPD-Bürgermeisterkollegen Stefan Paulus (Knetzgau) und Jürgen Hennemann (Ebern) an: Man müsse nun kommunal ausbaden, was in Berlin verbockt wurde.

Dies trifft umso mehr die Ärzteschaft. Der ebenfalls der Online-Veranstaltung zugeschaltete Klinikarzt aus Gerolzhofen, Krisztian Fülöp, widersprach der Annahme, Kliniken seien derzeit nicht überlastet. Alleine Isolationen und Quarantäne würden den Klinikalltag erheblich erschweren und das Personal belasten. Man kämpfe täglich und werde im Stich gelassen, pflichtete ihm auch der Haßfurter Kinderarzt Arman Behdjati-Lindner, Vorsitzender des Ärztevereins Haßberge bei. Solange sich Politik und Virus nicht verändern würden, müsse man mit einer erneuten Welle im Herbst und Winter rechnen.

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