Inzidenz Coburg Impfung ersetzt Nachverfolgung

Andreas Teodoru
Mitarbeiterinnen von Kontaktverfolgungen arbeiten am Limit. Auch wenn neue Kollegen gesucht werden – langfristig wird dieses Instrument in den Gesundheitsämtern wohl weniger genutzt werden als in den Monaten vor der Impfung. Foto: picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd

Im Landkreis steigt die Zahl der Infizierten. Gleichzeitig spürt das Gesundheitsamt immer weniger Kontakten nach. Darum macht das Sinn.

 
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Landkreis Coburg - An den Teststationen wird erneut Schlange gestanden, Gesundheitsamt und Ärzte arbeiten wieder am Limit. Das war abzusehen, denn bundesweite Spitzenwerte bei den Fallzahlen kommen im Coburger Land zeitversetzt an. Die Corona-Variante Omikron ist extrem ansteckend. Darum hat die Regierung nach Auskunft des Landratsamtes Coburg schon im Dezember zehn zusätzliche Stellen für Kontaktermittler bewilligt, um die 25 bestehenden im Gesundheitsamt aufzustocken. Bisher wurden zwei neue Mitarbeiter gefunden, acht Plätze sind noch offen, wie Pressesprecherin Corina Rösler auf Nachfrage bestätigt: „Wir haben auch zusätzliche Unterstützung von Mitarbeitern aus dem Landratsamt sowie von Bundeswehrsoldaten.“

Zu viele Infizierte, zu wenig Helfer

Dabei wären Mitarbeiter gerade jetzt sehr hilfreich, denn die Telefone der Hotline glühen vor lauter Anfragen, weiß Rösler: „Unsere Hotline ist immer noch stark besetzt. Selbst mit Automatisierung gibt es derzeit viel zu tun.“ Zwar habe man sich in ruhigeren Zeiten für eine Verschlimmerung der Lage gewappnet. Doch irgendwann sind die Grenzen des Leistbaren erreicht, darum werden inzwischen laut Vorgabe des Gesundheitsministeriums bei einer Infektion nur noch Haushaltsmitglieder durch das Gesundheitsamt ermittelt. Es sei, so heißt es auch auf der Webseite des Landratsamtes, aufgrund der Vielzahl der Fälle gar nicht mehr zu schaffen, alle Kontaktpersonen abzufragen. Positiv Getestete sollen sich selbstverpflichtet in die Isolation begeben und mögliche Kontakte informieren.

Weil zeitgleich durch das erhöhte Testaufkommen die Labore mit den PCR-Testergebnissen nicht mehr nachkommen, können Bürger inzwischen selbst ihre Infektion beim Gesundheitsamt melden. Mit einem Online-Formular auf der Website des Landratsamtes wird auch das Testergebnis an das Amt übermittelt. Nach Eingang wird die Isolationsbescheinigung an die jeweils angegebene E-Mail-Adresse gesendet. Auch das kann jedoch dauern.

Hausärzte registrieren viel mehr Infizierte

Egal wie der aktuelle Impfstatus einer Person gerade ist: Wer möglicherweise Kontakt mit einem Infizierten hatte, sollte sich eigenverantwortlich in Isolation begeben und sich testen. Eine Isolationsbescheinigung gilt erst ab dem Zeitpunkt der Meldung. Wenn die Isolation vorher erfolgt, braucht es ein Attest vom Arzt. Der Quarantänezeitraum geht aber auf den Testtag zurück. Nun haben auch die Ärzte mit einer Masse an infizierten Patienten zu kämpfen, wie der Vorsitzende des Hausarztvereins Coburg, Ullrich Zuber, berichtet: „Wir haben sehr viel zu tun. In meiner Praxis sind es hauptsächlich leichte Fälle bei geboosterten Patienten. Geimpfte haben schwächere Verläufe, aber es ist entsprechend viel bürokratischer Aufwand nötig mit all den zusätzlichen Krankschreibungen.“ 90 Prozent aller Behandlungsfälle würden die Hausärzte stemmen, was mehr Verwaltungsarbeit bedeutet. „Was wir in den Praxen leisten, ist schon außerordentlich“, so Zuber.

Ärzte arbeiten mit den bewährten Mitteln wie Schutzkleidung und besonderen Sprechstunden für Infizierte, räumlich von anderen Patienten getrennt. Die meisten könnten aber auch einen PCR-Test im Auto bekommen oder bräuchten nur eine telefonische Beratung. Das ist viel Zusatzarbeit zum Normalbetrieb: „Es sollte langsam wieder mehr Verantwortung in die Hände der Bürger gegeben werden, weil wir sonst irgendwann die Masse an Patienten nicht mehr stemmen können“, sagt Zuber. Dazu gehöre selbstverständlich auch, bei einer möglichen Infektion eigenverantwortlich tätig zu werden. Personal und Ärzte fühlen sich aber laut dem Vorsitzenden des Hausarztvereins weiterhin sicher in ihren Praxen: „Wenn ich mich einmal anstecken sollte, dann bestimmt irgendwo privat“, sagt er lachend. Dass es trotz der aktuellen Zahlen immer mehr Lockerungen geben soll, findet er richtig: „Es ist nach wie vor eine gefährliche Krankheit, aber wir müssen in die Phase kommen, wo wir unaufgeregter damit umgehen können und nicht mehr immer ein PCR-Test notwendig sein wird.“

Infektionszahlen bei Schülern besonders hoch

Auf den Herbst müsse man sich aber dennoch vorbereiten. Dann könnten auch Apotheken wieder an ihre Grenzen stoßen, so wie derzeit in Coburg, sagt der Sprecher der Apothekerkammer für Stadt und Landkreis, Hans Joachim Schreeck: „Unsere derzeitigen Testkapazitäten sind ausgeschöpft. Zumindest gibt es keine Lieferschwierigkeiten.“ Bei den Impfungen in der Apotheke sei die Nachfrage wiederum sehr niedrig: „Das Angebot der Apotheken ist nur ein ganz kleiner Tropfen auf dem heißen Stein“, erklärt Schreeck.

Wie das „mit dem Virus leben“ und die Selbstverantwortung aussehen sollen, kann man vielleicht an den Schulen verfolgen, wo trotz sehr hoher Ansteckungszahlen der Betrieb aufrecht erhalten werden soll. Das Hauptziel bleibt der Erhalt des Präsenzunterrichts. Die leichteren Verläufe bei den Jüngeren und die Möglichkeit des Freitestens nach einer Woche unterscheiden sich in der Handhabung kaum noch von herkömmlichen Gründen, dem Unterricht fern zu bleiben, heißt es auch vonseiten des Landratsamts: „Inzwischen geht nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne. Aktuell gibt es nur eine Klasse im Landkreis, die komplett in Quarantäne musste“, bestätigt Corinna Rösler. Der bayerische Landesschülerrat hat kritisiert, dass die Entscheidung über die Quarantäne zu sehr auf die überlasteten Gesundheitsämter ausgelagert sei.

Wie es weitergehen könnte

Sollte nicht eine neue, gefährlichere Virusvariante im Herbst erscheinen, stehen die Zeichen auf „endemische Phase“, und es wird immer mehr Verantwortung in die Hände der Bürger gelegt. „Ich denke nicht, dass wir die Kontaktnachverfolgung im selben Maße wie vor der Impfung wieder aufnehmen werden“, sagt Rösler. Der eigentliche Grund der Nachverfolgung sei die Unterbrechung der Infektionsketten gewesen. Seit der Impfung sei dies nun einfacher geworden. Weil die Luca-App nicht die erhoffte Erleichterung bei der Nachverfolgung gebracht hat, wurde der Vertrag mit den Entwicklern vom Freistaat nicht verlängert. Trotzdem wünscht man sich auch im Landratsamt, mehr Abläufe zu digitalisieren und zu automatisieren. Die eigenverantwortliche Nutzung der Corona-Warn-App und die Selbstauskunft mit dem Isolationsformular sind dazu ein erster Schritt.

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