Kinderkrankheiten Was tun gegen Viren-Pingpong?

Regine Warth , aktualisiert am 14.02.2024 - 10:53 Uhr
Sollte das Fieber nach vier, fünf Tagen immer noch anhalten, ist das Kind abgeschlagen und schlapp, braucht es einen Kinderarzt. Foto: dpa/Annette Riedl

Die Virsensaison ist im vollen Gange – und gerade Familien mit kleinen Kindern haben derzeit harte Trainingseinheiten zu überstehen. Ein Kinderarzt und ein Arbeitsmediziner geben Tipps.

 
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Das Kind ist krank. Wieder einmal. Irgendwann im November fing es mit einem üblichen Schnupfen-Husten-Fieber-Allerweltsinfekt an. Nach zehn Tagen war es wieder fit für den Kindergarten. Dann lag die Mutter mit Nasennebenhöhlenentzündung im Bett. Kaum war diese auskuriert, kam der Anruf aus der Kindertageseinrichtung: Das Kind klage über Bauchschmerzen und sei fiebrig, man möge es bitte abholen. Inzwischen vergeht keine Woche, in der nicht irgendeiner in der Familie kränkelt. Das Viren-Pingpong – so scheint es – will kein Ende nehmen.

Viele Infekte verschwinden von selbst

Im Kindergartenalter sind bis zu 15 Infekte im Jahr die Regel. Kranke Drei- bis Sechsjährige sind also der Normalfall und keine Naturkatastrophe, sagen Kinderärzte. Die meisten Infekte sind harmlos und für die Entwicklung des Immunsystems geradezu notwendig. Meist verschwinden sie nach ein paar Tagen von selbst.

„Die kindlichen Abwehrkräfte müssen lernen, mit der Flut an Krankheitserregern da draußen in der Welt fertig zu werden“, sagt Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Im Schulalter nimmt die Zahl der Infekte dann kontinuierlich ab: Dann gelten zwei bis vier meist virusbedingte Erkrankungen im Jahr als normal.


Das hilft dem Kind

In dieser Zeit können Eltern ihrem Nachwuchs mit einfachen Mitteln helfen: Ein ruhiger Tagesablauf wäre da beispielsweise wichtig, ebenso das Kind immer wieder zum Trinken zu animieren. Um die Schleimhäute nicht mit trockener Heizungsluft zu strapazieren, ist es auch sinnvoll, die Wohnung regelmäßig zu lüften. Und sind die Hustenanfälle im Liegen besonders stark, hilft es, das Kind etwas erhöht schlafen zu lassen.

Die Fieberhöhe ist für Kinderärzte nicht wirklich relevant, sagt Maske. Es ist vielmehr eine normale Abwehrreaktion des Körpers, mit der er die Krankheitserreger bekämpft. „Es gibt Kinder, die auch bei harmlosen Infekten immer über 40 Grad Celsius fiebern.“ Daher rät der Kinderarzt bei der Gabe von Fieber- oder Schmerzsaft zu Besonnenheit: „Wir empfehlen, dies von dem Allgemeinzustand des Kindes abhängig zu machen und nicht von der Fieberhöhe“, sagt Maske.

Wann ist Fieber gefährlich?

Sollte das Fieber nach vier, fünf Tagen immer noch anhalten, ist das Kind abgeschlagen und schlapp und mag kaum was essen noch was trinken, sollten die Eltern einen Termin beim Kinderarzt ausmachen. Ein Alarmsignal ist es, wenn Säuglinge fiebern, die jünger als drei Monate sind: Dann braucht es sofort ärztliche Hilfe.

Spielt das Kind dagegen trotz einer Körpertemperatur von mehr als 39 Grad Celsius? Kann man ihm Bücher vorlesen, oder lauscht es einem Hörbuch mit Interesse? Dann reicht es abzuwarten, ob sich der Gesundheitszustand verbessert oder verschlimmert.

Immunsystem der Eltern ist nicht auf Zack

Es ist keine einfache Geduldsprobe für die Eltern – das gibt auch der Kinderarzt Maske zu. Insbesondere, wenn die winterlichen Infektionen in der Familie die Runde machen – erst ein Kind nach dem anderen ins Bett befördern und am Ende häufig auch noch die Eltern. Das liegt nicht etwa daran, dass Kinder besonders ansteckend sind. Im Gegenteil, sagt Jakob Maske: „Häufig zeigt sich, dass Kinder Infekte eher weniger schnell weitergeben.“

Das Problem ist eher, dass gerade kranke Kinder sehr engen Kontakt mit Mutter und Vater suchen, das Kuschelbedürfnis also sehr hoch ist. Gleichzeitig ist die Verteidigung des Immunsystems der Eltern gegen Kitaviren und Co. nicht mehr so auf Zack. Zum einen, weil ihr natürlicher Kontakt mit diesen Krankheitserregern Jahrzehnte zurückliegt und sie längst keinen ausgeprägten spezifischen Schutz mehr haben. „Es wird also eine neue Immunität geschaffen“, sagt Maske.

Eltern leiden unter der Doppelbelastung

Hinzu kommen aber noch andere Faktoren, die das Immunsystem im Erwachsenenalter beeinträchtigen: Da ist die Doppelbelastung aus Beruf und Familienalltag zu Hause, nachts lassen die Kinder einen nicht richtig schlafen, und für Sport bleibt kaum Zeit. Unter diesen Bedingungen ist die Anfälligkeit für Infektionen besonders hoch. Kein Wunder also, dass das Viren-Pingpong in Familien von November bis März oft ohne Unterbrechung durchgespielt wird.

Schützen kann man sich innerhalb der Familie dagegen nur schwer: Die beiden häufigsten Ansteckungswege für Virus- und Bakterieninfektionen sind Schmierinfektionen und Übertragungen über die Luft. Gegen Letztere gibt es kaum Möglichkeiten. Um allerdings Erreger nicht durch Berührung, Kontakt und Oberflächen zu übertragen, hilft immerhin regelmäßiges und gründliches Händewaschen.

Was tun, wenn Unmut von Kollegen droht?

Letztlich braucht es aber grundsätzlich mehr Geduld – und zwar von allen Seiten, sagt Michael Kastner, Leiter des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin: bei den Eltern, aber auch im beruflichen Umfeld. „Natürlich bedeuten lange Krankheitsphasen in der Familie bei berufstätigen Eltern immer Stress“, sagt der Psychologe und Arbeitsmediziner. Da ist die Sorge um die Kinder, um die eigene Gesundheit – aber auch um den Job. Da sind die Kollegen, die man nicht hängen lassen, die Vorgesetzten, die man nicht enttäuschen will.

Wichtig ist, frühzeitig zu kommunizieren, dass es im Winterhalbjahr zu häufigeren krankheitsbedingten Fehlzeiten kommen kann. Rechtlich gesehen kann jedes gesetzlich versicherte Elternteil ab 1. Januar 2024 pro Jahr maximal 15 Arbeitstage Kinderkrankengeld pro Kind erhalten, sofern das Kind gesetzlich versichert ist. Bei mehreren Kindern besteht maximal ein Anspruch auf insgesamt 35 Tage. Für Alleinerziehende gilt die doppelte Zahl an Tagen.

Homeoffice ist nicht immer hilfreich

Ist der berufliche Druck gerade groß, kann es helfen, Entgegenkommen zu zeigen, rät Kastner: Um Engpässen vorzubeugen, könne man beispielsweise mit dem Arbeitgeber vorab vereinbaren, wie man dennoch Arbeitsausfälle bis zu einem gewissen Grad auffangen kann, sagt Kastner. So könnten Beschäftigte mit kleinen Kindern im Krankheitsfall häufiger von zu Hause aus arbeiten – und vielleicht auch zeitlich flexibler agieren. Allerdings – so räumt auch Kastner ein – könne man gerade im Homeoffice meist keine volle Leistung erwarten: „Denn der Spagat zwischen Arbeit und Kinderbetreuung bleibt auch dort bestehen.“

Immerhin habe der Krankheitsreigen auch durchaus etwas Positives: „Für das Immunsystem funktionieren all die Kontakte mit den Kindergarten- und Kitaerregern wie eine Art Boosterimpfung“, sagt Maske. Das sei bei manchen Erkrankungen zwar unangenehm – verbessere aber am Ende die Immunität der Kinder und der Eltern.

Wann dürfen Kinder wieder in die Kita?

Krank
Erkrankt ein Kind während seines Aufenthalts in der Kita oder im Kindergarten – bekommt es zum Beispiel hohes Fieber, hustet stark oder erbricht sich –, muss es abgeholt werden, heißt es seitens der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Fiebernde oder ansteckende Kinder dürfen nicht in der Kita betreut werden. Eltern sollten auch Kinder mit eher harmlosen Atemwegsinfekten möglichst zu Hause lassen: Zum einen, damit sich die anderen Kinder nicht anstecken, zum anderen, damit das Kind selbst die notwendige Zuwendung, Ruhe und Behandlung erhält, um bald wieder gesund zu sein.

Gesund
Generell ist es gut, wenn ein krankes Kind lieber zu lange als zu kurz eine Auszeit nimmt. „Es sollte mindestens einen Tag fieberfrei sein“, sagt Jakob Maske vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Nach Durchfall oder Erbrechen sollte zwei Tage gewartet werden. Wichtig ist, auf den Allgemeinzustand des Kindes zu achten: „Es muss ihm gut gehen“, sagt Maske. „Es muss also wieder gut essen und trinken, muss sich wohlfühlen und belastbar sein.“

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