Lichtenfelser Wirtschaft Wechselbad der Gefühle

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„Die Lage normalisiert sich Schritt für Schritt“: Foto: Wolfgang Mennel/IHK

Aus den Unternehmen am Obermain kommen widersprüchliche Signale. Viele blicken eher pessimistisch auf den weiteren Verlauf.

 
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Lichtenfels - Selten waren die Signale aus der Lichtenfelser Wirtschaft so widersprüchlich. Während sich Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel erst wieder langsam aus dem Lockdown herauskämpfen, schätzen Baugewerbe, Industrie und viele Dienstleistungsbereiche ihre aktuelle Geschäftslage positiv ein, so das Resümee aus der aktuellen IHK-Konjunkturbefragung.

Mit 97 Punkten liegt der aktuelle Konjunkturklimaindex sieben Punkte über dem Stand zur Jahreswende, aber deutlich unter dem 20-Jahres-Durchschnittswert von 105 Punkten. Dass der Index nicht höher lag, ist der Tatsache geschuldet, dass die Lichtenfelser Unternehmer eher pessimistisch auf den weiteren Verlauf der Konjunktur blicken. Die aktuelle Konjunkturlage beurteilt das Gros der Unternehmen dagegen positiv: 39 Prozent der Unternehmen beurteilen die aktuelle Lage positiv, 31 Prozent negativ. Vor allem die Inlandsnachfrage hat in den vergangenen Monaten wieder angezogen. „Vor dem Hintergrund, dass viele Unternehmen bis vor wenigen Tagen ihre Geschäftstätigkeit weitestgehend eingestellt hatten, zeigt die Lagebeurteilung, dass sich die Situation Schritt für Schritt wieder normalisieret“, so Wilhelm Wasikowski, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des IHK-Gremiums Lichtenfels.

Eher trübe Aussichten

Allerdings sei die Kapazitätsauslastung im Saldo zuletzt gesunken, außerdem rechnen die Unternehmen auch für die kommenden Monate mit einer weiter sinkenden Kapazitätsauslastung. Wasikowski: „Kein Wunder, dass der Blick auf die kommenden zwölf Monate eher pessimistisch ausfällt“. Bei den Erwartungen ist die Lichtenfelser Wirtschaft Schlusslicht: Nur 13 Prozent der Befragten rechnen mit einem Aufwärtstrend, ein Viertel dagegen mit einer rückläufigen Geschäftslage.

„Immer mehr Branchen verzeichnen eine Preisexplosion bei den Rohstoffen. Aber immerhin gut die Hälfte der Unternehmen geht davon aus, diese Mehrkosten ganz oder teilweise weitergeben zu können“, so Wasikowski. „Das ist für den Endverbraucher sicher keine gute Nachricht, für viele Unternehmen aber überlebensnotwendig, weil sie sonst Gefahr laufen, nicht mehr kostendeckend arbeiten zu können.“

Neue Auflagen

Viele Unternehmen klagten über die schlechter werdenden Rahmenbedingungen. In verschiedenen Statements werden vor allem die wachsende Bürokratie und die steigenden Auflagen kritisiert. Eine Unternehmerin formuliert das so: „Die Corona-Hilfen, die ich für mein Unternehmen erhalten habe, gebe ich wieder doppelt und dreifach wieder aus für die Testpflicht, die Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen oder die Umsetzung neuer Auflagen.“

Mehr Investitionen

Trotz der eher trüben Aussichten wollen die Unternehmen im Landkreis Lichtenfels wieder mehr investieren. Dass die Investitionsquote insgesamt vergleichsweise niedrig ausfällt, ist darauf zurückzuführen, dass viele Unternehmen nach einem monatelangen Lockdown aktuell gar nicht die Mittel haben, groß zu investieren. 83 Prozent der investitionswilligen Unternehmen setzen auf Ersatzbeschaffungen, gefolgt von Investitionen in den Umweltschutz (48 Prozent). Immerhin 21 Prozent investieren in Produktinnovationen und 17 Prozent in Kapazitätserweiterungen. Geht es nach den Planungen der Unternehmen, wird die Mitarbeiterzahl stabil bleiben.

„Mehr Investitionen und eine gleichbleibende Beschäftigtenzahl zeigen, dass ein Großteil der Unternehmen mittelfristig mit einem spürbaren Aufwärtstrend rechnet“, ist sich Wasikowski sicher.

„Ich bin froh, dass wir vor Jahren begonnen haben unsere Produktpalette umzustellen, weg von der Polstermöbelindustrie, hin zu Displays etwa für den Einzelhandel und dass wir verstärkt auf das Internet als Vertriebskanal setzen. So konnten wir den Umsatz bei der J.S. Wasikowski GmbH & Co. KG stabil halten“, so Wilhelm Wasikowski.

Beherbergungsgewerbe unter Druck

Ganz anders die Situation im Beherbergungsgewerbe: Zu den wenigen Hotels im Landkreis, die in den vergangenen Monaten für Geschäftsreisende geöffnet hatten, gehört das Kurhotel an der Obermaintherme GmbH & Co. KG in Bad Staffelstein, wo sich der Betrieb aber in den vergangenen Monaten kaum gerechnet habe. „Da unser Standort eine starke Abhängigkeit von der Obermaintherme hat, werden wir sicher noch etliche Wochen mit Umsatzrückgängen von 70 bis 80 Prozent leben müssen, bis die Therme wieder in Regelbetrieb geht. Sicher wird es die kommenden zwei Jahre auch zu Einschränkungen kommen, was das Seminar- und Tagungsgeschäft angeht“, so Geschäftsführer Andreas Poth. „Aber wir glauben an den Standort. So wurden bereits während des Lockdowns große Investitionen getätigt.“

Hinzu kommt der Aufbau eines großen Schulungsprogramms mit eigenem Vollzeit-Businesstrainer mit aktuell 290 Schulungen pro Jahr für die Mitarbeiter. Aber auch in den kommenden Monaten sind weitere Investitionen geplant. Poth: „Wir erweitern unsere Kapazitäten mit 16 neuen Zimmern. Ergänzt wird dies durch eine Softrenovierung des Bestandes. Außerdem bereiten wir den Bau eines angrenzenden neuen Hotels mit Eventhalle vor mit rund 350 Innen- und 150 Außenplätzen.“

Nachfrageschub im Freizeitbereich

Nicht alle Einzelhändler hatten starke Umsatzrückgänge, wie ein Blick auf das Unternehmen Georg Fritzmann & Söhne GmbH zeigt. „Unsere Umsätze während der Pandemie waren steigend. Der Grund liegt vermutlich darin, dass Konsumenten Geld, das für den Urlaub eingeplant war, in teureres Equipment für das Hobby investiert haben“, so Geschäftsführer Dieter Brandmeier. „Wird Reisen wieder möglich, wird sich dieser Effekt nach unserer Erwartung wieder mehr oder weniger neutralisieren.“

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