Auch viele Ausländer leiden unter der Isolierung
Auch unter den sonst privilegierten Ausländern ist der Frust hoch. „Das Einzige, was uns gesagt wurde, ist, dass wir die Wohnung nicht verlassen sollen“, sagt ein Deutscher, der seit Jahren in Shanghai lebt. Er habe am ersten Tag des Lockdowns eine staatliche Gemüselieferung erhalten, seither hängt der Mann von seiner – noch immer gut gefüllten – Vorratskammer ab: „Reich sein bedeutet in Shanghai nicht mehr, ob man eine Louis-Vuitton-Tasche besitzt, sondern wie viel Gemüse man hat.“
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Während in Europa die Lockdowns im vergangenen Jahr nicht selten für Entschleunigung, Yoga-Übungen oder ausgiebige Koch-Sessions genutzt wurden, haben die Ausländer in Shanghai derzeit viel elementarere Anliegen: „Wie kann ich mein Haustier retten, wenn ich in Quarantäne muss?“, fragt beispielsweise einer im Gruppenchat. Jemand anderes möchte wissen, wie man eine Sondergenehmigung erhält, um zum internationalen Flughafen zu gelangen.
Polizeidrohnen kreisen über den Wohnsiedlungen
Aus diplomatischen Kreisen ist zu hören, wie sehr die um ihren internationalen Ruf besorgte Stadtregierung unter Druck steht: einerseits vonseiten der Bevölkerung, bei der sich immenser Ärger aufgestaut hat. Andererseits muss sie die Zentralregierung aus Peking zufriedenstellen, die ein dogmatisches Einhalten der vorgegebenen Null-Covid-Politik fordert.
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Zumindest die Nahrungsmittelversorgung soll besser werden, hat die Regierung versprochen. Derzeit kann man – wenn überhaupt – aber nur sogenannte Gruppenkäufe ergattern: 20 Paletten Äpfel aus der Lagerhalle, Brotlieferungen für umgerechnet mehrere Hundert Euro, Fleisch ab einem Dutzend Kilo pro Auftrag. Wer es über die normalen Liefer-Apps am Smartphone probiert, geht leer aus. Wenn man doch Glück hat, muss man nicht selten auf dem Schwarzmarkt horrende Preise zahlen. Die wenigen Händler, die weiter operieren können, versuchen aus dem Leid der Leute Profit zu schlagen.
Am zehnten Abend des Lockdowns entlud sich der ganze Ärger in lauten Chören in einer Hochhaussiedlung am Stadtrand. Gemeinsam schrie man gegen die strengen Maßnahmen der Regierung an. Diese reagierte jedoch prompt – in Form von umherfliegenden Polizeidrohnen, die mit Megafonen die Wohnblöcke beschallten: „Bitte halten Sie sich an die Covid-Restriktionen. Zügeln Sie Ihre Sehnsucht nach Freiheit. Schließen Sie die Fenster, und hören Sie auf zu singen.“
7000 Deutsche stecken in Shanghai fest
Generalkonsul
Immerhin 7000 Deutsche sind derzeit noch in Shanghai, doch insbesondere die Familien mit Kleinkindern wollen am liebsten nur noch raus aus China. „Die Nerven liegen blank, es ist für alle belastend“, sagt Generalkonsul Pitt Heltman, der ebenfalls im Lockdown steckt, beim virtuellen Bürgertreff für seine Landsleute in der Stadt: „Nach den heutigen Infiziertenzahlen bin ich nicht mehr so optimistisch, dass wir mit einem baldigen Rückbau der Maßnahmen rechnen können.“