Maroldsweisach Nähcafé klappt wie am Schnürchen

Beim allerersten Nähcafé in der Marktgemeinde Maroldsweisach kommen Nachhaltigkeit, bürgerschaftliches Engagement und Geselligkeit zusammen. Und ein Bürgermeister, der an der Nähmaschine sitzt.

 
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Es ist ein beruhigendes Geräusch. Ein gleichmäßiges Surren, das so manchen Besucher in die Kindheit zurückversetzt: Das Rattern der Nähmaschinen, unaufgeregt, taktvoll; wie früher, als die Knopfschachtel der Großmutter die schönste Spielzeugkiste war und kunterbunte Garnrollen alle Farben dieser Welt ins Haus brachten. Draußen kündigt sich der Winter an an diesem Freitag, was die Nähstube im Geroldswinder Mehrzweckraum noch wohliger macht. Fast ein wenig wie in den Lichtstuben von anno dazumal. Kaffeeduft zieht durch den Raum, es gibt selbst gebackenen Kuchen: der perfekte Auftakt für das erste Adventswochenende.

Perfekt ist der Termin für das erste Nähcafé in der Marktgemeinde Maroldsweisach und der Gemeindeallianz Hofheimer Land aber auch aus einem anderen Grund: „Black Friday“ hat an diesem Tag Hochkonjunktur, der Inbegriff des Shoppingwahns, Feiertag der Schnäppchenjäger und für Freunde des schnellen Konsums. Hier in Geroldswind geht es um Nachhaltigkeit: eine Bluse, die nicht durch eine andere ersetzt werden muss, nur weil sie ein Mottenloch hat; die Jeans, die auch dem kleinen Bruder passt, wenn sie ein wenig gekürzt wird; die Jacke, die noch einwandfrei ist, wenn sie denn nur einen neuen Reißverschluss hat. In einer „großen Koalition für den guten Zweck“ hat Initiatorin Ramona Schrapel, Dritte Bürgermeisterin von den Freien Wählern, gemeinsam mit Zweiter Bürgermeisterin Heidi-Müller-Gärtner (CSU) und dem Ersten Bürgermeister Wolfram Thein (SPD) zum Näh-Nachmittag eingeladen: Menschen bringen ihre kaputten textilen Schätze vorbei, lassen sie von freiwilligen Näherinnen und Nähern reparieren und vertreiben sich so lange die Zeit bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen.

Von Reißverschluss bis Mottenloch

Schon wenige Minuten nach Start ist der Parkplatz vor dem Mehrzweckgebäude in Geroldswind an diesem Nachmittag bestens belegt, und auch im Innern geht es schon hoch her. Am Eingang sitzt Kerstin Brückner, Projektkoordination „Wir & Hier“ in der Allianz Hofheimer Land und Ortssprecherin von Marbach, und nimmt die Näh-Aufträge entgegen. „Viele Reißverschlüsse sind dabei“, berichtet Kerstin Brückner, damit tut sich jeder schwer, selbst wenn er zuhause selbst mal Nadel und Faden in die Hand nimmt. Ansonsten sind es unterschiedliche Anliegen: Der eine bringt seine Lieblingshose, der andere möchte einen Aufnäher, manchmal ist es eine Stofftasche, die gerichtete werden muss, ein anderes Mal ein Kissenbezug. „Und viele Mottenlöcher“, lacht Kerstin Brückner. Die Textilien erhalten eine Nummer und eine Kurzbeschreibung für die Näherinnen; wer abgegeben hat, darf sich mit seiner Nummer an den Kaffeetisch setzen.

Bürgermeister an der Nähmaschine

Unterdessen klappt das mit dem Nähen wie am Schnürchen. „Die Damen teilen die Aufträge unter sich auf“, erklärt Ramona Schrapel – jede hat etwas anderes, was sie gut kann. Wobei hier nicht nur Damen am Werk sind: Auch der Bürgermeister selbst hat seine „Singer“-Maschine aufgestellt und geht beherzt ans Werk. Und das nicht schlecht: „Zuhause mache ich das auch“, sagt Wolfram Thein – gelernt ist schließlich gelernt, in der Schule gab’s damals Handarbeitsunterricht und mit der Nähmaschine läuft es beinahe wie von selbst. Bei kniffligeren Fällen sitzt Anneliese Müller bereit: Die Geroldswinderin ist gelernte Näherin, hat sogar ihren Meister gemacht. „Deswegen ist die Arbeit selbst kein Problem“, schmunzelt sie, „nur ein bisschen der Zeitdruck“. Denn nach dem einen guten Stück wartet das nächste, rund 30 Textilien und Kleidungsstücke werden es am Ende sein. Darunter aufwendige Näharbeiten, wie Reißverschlüsse in Jacken und Hosen neu einnähen, und weniger zeitintensive Arbeiten wie Vorhänge und Hosen kürzen oder offene Nähte schließen. „Ich wollte mal fragen, ob sich das rentiert“, kommt eine Dame mit einem Änderungswunsch und entschuldigt sich umgehend: „Ich weiß, das ist eine Mordsarbeit.“ Geht nicht, gibt’s nicht, und so wird ihr Wunsch ebenso angenommen, wie der eines jungen Herrn, der einen Vorhang kürzen lassen möchte. Selbst könne er es nicht, „weil der Stoff so dick ist und sich die Damen sicher besser auskennen“, lacht er.

Anregung zum Treffen

Beim Kaffeeklatsch freuen sich währenddessen die Gäste über die „sehr gute Idee“, wie eine Besucherin sagt: „Da findet sich daheim immer etwas, was man richten lassen könnte – wenn wir noch mehr geguckt hätten, hätten wir wahrscheinlich noch mehr gefunden!“ Aber auch so laufen die Nähmaschinen schon heiß an diesem Nachmittag. Neben Anneliese Müller und Bürgermeister Wolfram Thein kommen an diesem Nachmittag auch Christa Geyer, Irene Müller-Gärtner und Barbara Jung zeitweise fast schon ins Schwitzen. Aber natürlich macht die Arbeit auch Spaß. Den möchte Barbara Jung auch anderen vermitteln. Sie ist bereits in Bamberg in einer Nähgruppe, die sich alle zwei Wochen trifft, würde so eine Runde aber auch gern in Maroldsweisach etablieren: Dabei geht es dann weniger um Reparaturen, sondern um schöne Stücke, wie sie an diesem Nachmittag auch im Nähcafé in Form von Topflappen, Täschchen und Kissenbezügen zum Anschauen ausliegen – neben einer Liste für mögliche Nähgruppen-Interessenten.

300 Euro für die Jugend

Handarbeit, Nachhaltigkeit, aber auch bürgerschaftliches Engagement und Nachbarschaftshilfe bringt dieser Nachmittag zusammen. Daneben natürlich auch die Gelegenheit für ein Schwätzchen – und nicht zuletzt den Erlös für die fleißige Arbeit, der in Form von freiwilligen Spenden in das Sparschwein wandert. 300 Euro waren es am Ende, die als Spendengeld für die Jugendarbeit der Marktgemeinde Maroldsweisach zusammen kamen. Was die Organisatorinnen natürlich besonders freut. Aber das ist nicht alles, wie Ramona Schrapel verrät: „Das Schönste an dem Nachmittag für mich persönlich waren das beruhigende Surren der Nähmaschinen, die netten Gespräche beim Kaffeetrinken und das Zurückgeben der reparierten Schätze an ihre Besitzer“, sagt sie: „Das war wie das Geschenkeverteilen an Weihnachten, ich durfte in viele strahlende Gesichter blicken.“

Grenzenloses Interesse

Die nötige Unterstützung kam an diesem Tag natürlich auch von allen anderen Helfern, vor allem auch durch Kuchenspenden. Die sorgten für den „angenehmen Nebeneffekt“, wie eine Besucherin lachend formulierte: einen gemütlichen Nachmittag mit vielen persönlichen Gesprächen, mit Bekannten und solchen, die man eben nur bei solchen Gelegenheiten gerne zufällig trifft. Die „Kundschaft“ stammt aus dem gesamten Gemeindegebiet, sagt Heidi Müller-Gärtner nach einem kurzen Rundumblick im Raum. Ditterswind, Hafenpreppach, aber auch bis aus Leuzendorf oder Ermershausen aus den Nachbargemeinden. „Wir haben bis Hofheim geworben“, sagt Heidi Müller-Gärtner. Innerhalb der Hofheimer Allianz ergänzt das Näh-Angebot das bereits bestehende Reparaturcafé, zu dem man aber keine Konkurrenz sein wollte. Schließlich geht es in Hofheim auch mehr um Elektrogeräte, mechanische Uhren oder Kleinmöbel und Spielsachen. Seit 2018 erfreut sich der Termin – vergangene Woche hat das Reparaturcafé zum elften Mal stattgefunden – zunehmend größerer Beliebtheit, auch weit über die regionalen Grenzen hinaus.

Das Nähcafé wiederum soll sich im Maroldsweisacher Marktgemeindegebiet etablieren, dort aber an wechselnden Orten. „Wir waren uns alle einig, es ist wieder ein Nähcafé geplant“, verrät Organisatorin Ramona Schrapel nach der Veranstaltung: „Diesmal dann wahrscheinlich in Hafenpreppach.“

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