Neuer Bildband von Gerd Kanz Der Romantiker 2.0

Für sein „Nachtviolen-Projekt“ zog Gerd Kanz in seinem Untermerzbacher Haus 1600 Duftpflanzen heran. Foto: /Gerd Kanz

Kunst und Natur gehören für Gerd Kanz zusammen. Sein neues Katalogbuch zeigt die Symbiose und stellt die Frage: „Wie riecht Glück?“

 
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Untermerzbach - Wie riecht Glück? Eine wunderbare Frage, über die zu sinnieren lohnt. Eine erstaunliche Frage aber auch, wenn sie ein Künstler aufwirft, der von Haus aus eigentlich nicht die Nase anspricht, sondern das Auge. Gerd Kanz, Maler und Bildhauer aus Untermerzbach, ist keineswegs unter die Sommeliers oder Parfümeure gegangen, und doch lädt er mit seinem neuen Katalogbuch auch zur olfaktorischen Entdeckungsreise ein. Denn es führt mitten hinein in den duftenden Pa-radiesgarten, den Kanz rund um sein Domizil im alten Brauhaus angelegt hat und der für ihn weit mehr bedeutet als Hobby oder Inspiration.

Das Arbeiten in der Natur ist für den Künstler ganz organisch mit dem Gestalten in der Werkstatt verbunden, hier wie dort gräbt und schürft, pflanzt und hegt er, es ähneln sich die Prozesse: „Die Dinge werden nicht inszeniert, sie entstehen einfach, indem ich mich darauf einlasse. Es ist eine demütige Verbeugung vor dem Wunder der Schöpfung“, erläutert der 55-Jährige im Gespräch mit der Neuen Presse.

Diese Haltung zeichnet ihn seit Langem aus: „Maler sind gewissermaßen Gärtner im philosophischen Raum“, erklärte er bereits bei der Ausstellung „Essence of Growth“ (Das Wesen des Wachsens), mit der Coburgs Kunstverein vor fünf Jahren den 50. Geburtstag des Coburger Kulturpreisträgers des Jahres 1989 feierte.

In dem neuen Bildband, der zur Ausstellung „Wie riecht das Glück?“ in der Weimarer Galerie Profil erschienen ist, offenbart sich diese Symbiose von Kunst und Natur klarer denn je: Abbildungen der jüngsten Tafelbilder, in denen er mit seiner charakteristischen abstrakten Handschrift kraftvoll und zugleich filigran vom Werden und Wachsen erzählt, wechselt ab mit fotografischen Impressionen aus dem Gartenidyll, in dem es üppig grünt und blüht – und nach Glück duftet.

Gerd Kanz geht noch einen Schritt weiter: In seinem „Nachtviolen-Projekt“ begreift er die Natur selbst als Kunstwerk: In seinem Haus pflanzte er 1500 Samen verschiedener Duftpflanzen, deren Gedeihen im geschützten Raum und später im Freien er fotografisch dokumentierte.

Diese Sensibilität „für die kleinen Dinge, die das Leben ausmachen“ ist für Kanz eine „Schule der Achtsamkeit“ – ein Begriff, den er schon in seinem allerersten Katalog 1994 verwendete, lange bevor er zur Modevokabel avancierte. Die Wiederentdeckung der Achtsamkeit hält Kanz im digitalen Zeitalter für wichtiger denn je: Das analytisch-rationale Denken verdänge mehr und mehr die sinnliche Wahrnehmung, „wir entfremden uns immer mehr von unserer natürlichen Mitwelt und von uns selbst“, fürchtet Kanz. „Ich begreife mich als Teil der Natur, das ist keine romantische Spinnerei, ganz im Gegenteil“, betont der Künstler, der sich mit seinem Plädoyer für mehr Intuition und sinnliches Denken nicht als „romantischer Träumer“ abstempeln lassen möchte.

Er dreht den Spieß vielmehr um: „Wer nur auf entseeltes Denken, auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz setzt, flüchtet sich in eine Scheinwelt“, betont Kanz. Der nüchternen Ratio hält er seine „Romantik 2.0“ entgegen, die keineswegs verklärend oder naiv daherkommt: „Das Leben ist nicht einfach, es gibt Angst, Schmerzen, Verluste, das will ich nicht negieren. Darum zeigen meine Arbeiten Verwerfungen, Brüche, Narben. Aber es gibt eben auch Farbe, die Vernarbungen zuwachsen lässt, und Formen, die das letztendlich zusammenhalten. Damit möchte ich zeigen: Das Leben ist trotzdem schön!“

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