Plastikfrei einkaufen in Coburg Muss Unverpackt bald einpacken?

Marie Seifert
Von Gewürzen über Müsli bis hin zu Backpulver. Thomas Lin bietet seiner Kundschaft eine große Auswahl an verpackungsfreien Lebensmitteln zum Selbst-Abfüllen. Foto: /Marie Seifert

Der Laden im Coburger Steinweg kämpft um seine Existenz. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie. Denn jetzt explodieren auch noch die Preise.

 
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„Es ist fünf vor zwölf“, so beschreibt Thomas Lin, Niederlassungsleiter von „Lin’s Unverpackt“, in einem Facebook-Post die Notsituation des Geschäfts. „Unsere Umwelt, Klimaschutz, Verpackungsmüll, alles scheint durch die Vielzahl an Ereignissen nicht mehr wichtig zu sein. Das ist frustrierend und beschämend zugleich“. Seit knapp zwei Jahren gibt es den Laden im Steinweg nun schon. Innerhalb dieser kurzen Zeit mussten Thomas Lin und seine Frau und Inhaberin Lin Lin schon einige Tiefschläge erleiden.

Anfangs nahmen die Coburger das Angebot noch dankend an. Durch die sich verschärfende Corona-Pandemie sei die Kundschaft allerdings verunsichert worden. Viele von ihnen hätten den Unverpackt-Einkauf ursprünglich mit anderen Erledigungen in der Innenstadt verbunden oder seien erst im Vorbeilaufen auf das Geschäft aufmerksam geworden, weiß Lin. Diese Laufkundschaft sei durch die leer gefegte Innenstadt zu Lockdown-Zeiten zum größten Teil weggefallen. Seit April 2021 ging der Umsatz dementsprechend merklich nach unten, blieb allerdings vorerst stabil. Anfang dieses Jahres gab es dann einen „richtigen Rutsch nach unten“, erinnert sich der Niederlassungsleiter bedrückt.

Die Preise schießen in die Höhe

Der Krieg in der Ukraine geht auch an dem lokalen Geschäft nicht spurlos vorbei. „Die Preise fangen gerade erst an zu explodieren“, so Lin. Der extreme Preisanstieg trifft das Geschäft an einem wunden Punkt. Schon vorher musste sich Lin Kritik in Sachen Preisgestaltung anhören. Diese kann er allerdings nur bedingt nachvollziehen. Grundsätzlich werde pauschalisiert: Alles sei zu teuer. „Selten bekomme ich eine klare Information darüber, welche Produkte genau als zu teuer empfunden werden“, bedauert er. Außerdem weist er auf die Qualität seiner Produkte hin. Diese sei mit dem Sortiment im Supermarkt nicht zu vergleichen. „Zwischen Bio und Bio liegen Welten“, betont er. „Es ist alles eine Frage der Einstellung. Ist es mir wichtig, dass ich auf die Umwelt achte? Ist es mir wichtig, dass ich auf Arbeitsbedingungen und Herkunft meiner Einkäufe achte? Wo setze ich meine Prioritäten?“

Die Stammkundschaft im Laden sei bunt gemischt: von Rentnern bis hin zu Studenten. Eins hätten die Käufer jedoch gemeinsam: Die wenigsten von ihnen kämen mit einem prall gefüllten Geldbeutel, weiß Lin. Für hochwertige Bio-Ware und einen bedarfsgerechten, plastikfreien Einkauf, bei dem keine Überbleibsel im Müll landen, seien sie bereit, etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen.

„Mann muss offen für Veränderungen sein“

Den Ladeninhabern ist durchaus bewusst, dass der Einkauf in ihrer Filiale mit mehr Aufwand verbunden ist. Die Lage inmitten der Innenstadt ist für Autofahrer nicht optimal. Doch Lin betont, dass sie nie ein „typisches Supermarkt-Flair“ mit Parkplatz vor der Tür angestrebt hätten. Er möchte auf das Bedürfnis der Menschen eingehen, wieder mehr zu den Ursprüngen zurückzukehren. Eine Art Tante-Emma-Laden, in den die Kundschaft kommt, um zu entschleunigen, das Erlebnis zu zelebrieren und mit ihm und seiner Frau ins Gespräch zu kommen. Eine persönliche Atmosphäre, kein hektischer, anonymer Einkauf. Dazu müsse die eine oder andere Unbequemlichkeit in Kauf genommen werden. „Man muss offen für Veränderungen sein“, meint Lin.

Das Angebot, mit dem Auto an den Hintereingang zu fahren um ein- und auszuladen, werde von den Kunden kaum genutzt. Auch das Konzept eines Onlineshops mit Abholservice konnte aufgrund „der ganzen Einschläge“ noch nicht umgesetzt werden.

Deutschlandweit sind Unverpackt-Läden betroffen

Was Thomas Lin und seine Frau in der Zukunft erwartet, steht noch in den Sternen. Bisher können sie nicht einschätzen, wie sich die Preisexplosion auf das Geschäft auswirken wird. Aber den Mut lassen sie sich vorerst noch nicht nehmen: „Wir sind überzeugt vom Konzept.“

Mit diesen Problemen ist die Coburger Filiale allerdings nicht alleine. Shabnam Beus, Pressesprecherin des Verbands der Unverpackt-Läden bestätigt: „Einige Läden sind durch Corona gerade am Straucheln.“ Das Thema Umweltschutz stehe wegen Krieg und Pandemie „derzeit einfach nicht mehr ganz oben auf der Liste“, weiß die Pressesprecherin.

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