Attals Aufrufe an die Opposition zur Zusammenarbeit aber blieben ebenso erfolglos wie das lange Ringen seiner Amtsvorgängerin Élisabeth Borne um verlässliche Bündnisse im Parlament. Aussichten auf eine Kooperation mit den konservativen Républicains, für die sich auch der konservative Ex-Präsident Nicolas Sarkozy einsetzte, gibt es nicht mehr. Der Chef der Républicains, Éric Ciotti, drohte Attal kürzlich gar mit einem Misstrauensvotum.
Vorsprung des rechtsnationalen RN wird größer
Eher noch vergrößert hat sich seit Attals Amtsantritt der Vorsprung des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) in Umfragen zur Europawahl. Dabei war die Hoffnung ursprünglich, dass Attal dem wortgewandten RN-Chef Jordan Bardella mehr entgegensetzen kann, als dies der vorherigen Premierministerin gelang.
Nach einer Ipsos-Umfrage vor wenigen Tagen kommt das RN auf 32 Prozent Zustimmung, das Regierungslager auf 16 Prozent und ein sozialistisches Bündnis auf 13 Prozent. Sollte sich dieses Kräfteverhältnis bei der Wahl Anfang Juni bestätigen, hätte dies massive Auswirkungen auf den Rest von Macrons Amtszeit.
Richtig ins Schwitzen gekommen ist die Regierung angesichts großer Haushaltslöcher, die es zu stopfen gilt. Allzu rosig waren die dem Etat zugrundeliegenden Annahmen. Das Defizit fiel im vergangenen Jahr größer aus als kalkuliert und auch im laufenden Jahr sieht es, wie kürzlich klar wurde, nicht gut aus.
Pläne der Regierung, dennoch ab 2027 wieder die EU-Defizitgrenze von drei Prozent einzuhalten, bezeichnete der Hohe Rat für die öffentlichen Finanzen am Mittwoch als wenig glaubwürdig und inkohärent. Nötig sei ein drastischer Sparkurs mit reduzierten öffentlichen Ausgaben, dasselbe mahnte auch Frankreichs Rechnungshof an.
Sorgt Attal für Unmut im streikfreudigen Frankreich?
Attal arbeitet bereits an unpopulären kurzfristigen Sparmaßnahmen wie einer Kürzung des Arbeitslosengeldes und Einschnitten bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, um ohne Steuererhöhungen die Notlage zu bewältigen. Aber solche Schritte können im streikfreudigen Frankreich für gehörigen Unmut sorgen, was im Anlauf zu den Olympischen Spielen im Sommer in Paris nichts Gutes erahnen lässt.
An seinem 100. Tag im Amt machte Attal die ausufernde Jugendgewalt in Frankreich zum Thema und kündigte mehr Strenge und schnelleren Strafen, aber auch Prävention und Erziehungshilfen an. "Wir brauchen einen Autoritätsschub", sagte er in der Pariser Umlandgemeinde Viry-Châtillon. Dort war Anfang April ein 15-Jähriger von einer Gruppe junger Männer totgeprügelt worden, eine Welle ähnlicher Gewalttaten erschüttert im Moment Frankreich. Wie zuvor schon bei anderen Problemen, die das Land plagen, kündigte Attal ein ganzes Bündel an Maßnahmen und ein Regierungshandeln im Eilschritt an. Messen werden die Französinnen und Franzosen die Regierung am Ende an Ergebnissen, und nicht an Ankündigungen.