Stockheim Bauern fordern angemessene Preise

Karl-Heinz Hofmann

Kronacher Landwirte protestieren vor einem Lebensmittelmarkt in Stockheim. Sie sprechen sich für ein Ende der Niedrigpreise aus

 
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Sie fordern für mehr Tierwohl auch angemessene Preise und protestieren vor der Aldi-Filiale in Stockheim gegen Werbeaussagen des Unternehmens (von links): BBV-Geschäftsführer Harald Köppel, Kreisobmann Erwin Schwarz, Kreisbäuerin Rosa Zehnter und Gerd Zehnter, Kreisvorsitzender des Vereins für landwirtschaftliche Fachbildung. Foto: Karl-Heinz Hofmann

Stockheim - Der Kreisverband Kronach des Bayerischen Bauernverbands (BBV) fordert eine angemessene Honorierung von Tierwohl unter der Berücksichtigung der besonderen Situation kleinerer Betriebe, wie sie in der Region bestehen. Sie würden aus dem Markt gedrängt, schildern die Vorstände des BBV-Kreisverbands Kronach. Aus Empörung darüber fand eine Aktion vor einer Aldi-Filiale in Stockheim statt. „In teuren Anzeigen wird behauptet, dass Tierwohl eine Frage der Haltung sei. Vor allem ist Tierwohl aber eine Frage der Umsetzbarkeit und des Geldes. Zu einem Haltungswechsel gehört auch ein Ende der Niedrigpreise“, sagt Kreisobmann Erwin Schwarz. Das macht auch der Präsident des BBV, Walter Heidl, in einem offenen Brief an das Unternehmen deutlich: „Die bayerischen Bauernfamilien sind wütend und enttäuscht. Aldi inszeniert sich als Hüter und Unterstützer von Tierwohl in der Landwirtschaft. Tatsächlich erleben wir es aber anders: aggressive Niedrigpreisstrategien, auch für Tierwohl-Fleisch.“

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Nach zweijährigen Verhandlungen über ein branchenweites Tierwohlprogramm für Rindfleisch und Milch hätten die Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels zuletzt einen umfangreicheren Katalog an Tierwohlkriterien verhindert, da sie den Kostenausgleich für die Landwirte nicht bezahlen wollten.

Kleinere Betriebe mitnehmen

„Gleichzeitig sind aber anscheinend riesige Werbebudgets vorhanden. Das passt einfach nicht zusammen“, schreibt Heidl und fordert eine angemessene Honorierung von Tierwohl, die Berücksichtigung der besonderen Situation kleinerer Betriebe sowie die Einbeziehung aller Marktsegmente in Tierwohlprogramme, aber dafür schrittweise Entwicklungen und mehr Nebeneinander der verschiedenen Haltungsformstufen.

„Das wäre ein ernsthafter gemeinsamer Weg hin zu mehr Tierwohl, der auch die kleineren Betriebe mitnehmen würde, anstatt sie aus dem Markt zu drängen“, so der bayerische Bauernpräsident. Mit großen Anzeigen kündigt der Lebensmitteldiscounter aktuell einen „Haltungswechsel“ für mehr Tierwohl an. Frischfleisch soll bis 2030 nur noch aus den Haltungsformen drei (mehr Platz im Stall mit Kontakt zum Außenklima) und vier (mehr Platz im Stall und Auslauf der Tiere ins Freie, Futter ohne Gentechnik, einzuordnen wie Bio-Fleisch) kommen. Zusätzlich hat das Unternehmen vor wenigen Tagen angekündigt, dass bei Eigenmarken künftig keine Frischmilch aus der Haltungsform eins mehr verkauft werden soll. Betroffen wären insbesondere kleinere Milchbauern in ganz Süddeutschland.

Gefahr für die regionale Landwirtschaft

Während Politik und Bauernverbände in Bayern und Baden-Württemberg gemeinsam an Wegen gearbeitet hätten, damit genau diese Betriebe ihre Tierhaltung Schritt für Schritt weiterentwickeln können, stelle der Handelskonzern Bäuerinnen und Bauern einmal mehr vor vollendete Tatsachen und gefährde damit die regionale Landwirtschaft, kritisieren die Landwirte: „Die Standards in Sachen Tierwohl steigen. Doch die Frage, wer die damit verbundenen Kosten trägt, ist offen. Die Existenz der Höfe im Landkreis Kronach steht auf dem Spiel“, sagen Erwin Schwarz, Kreisbäuerin Rosa Zehnter und der Vorsitzende des Verbands für landwirtschaftliche Fachbildung (VLF), Gerd Zehnter.

Sie machen die Brisanz in Zahlen deutlich: Im Landkreis Kronach gab es vor fünf Jahren noch 3785 Milchkühe, im vergangenen Jahr waren es nur noch 3317. Dieselbe Tendenz sei auch in der Rinderhaltung zu beobachten. Hier reduzierte sich die Zahl der Tiere im Landkreis Kronach von 10 981 auf 9593.

„Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass diese geringere Anzahl an Rindern die gleiche Leistung erbringe. Das Tierwohl, wofür wir eintreten und dies auch praktizieren, kostet seinen Preis“, argumentiert der Bauernverband. Für 200 Gramm Kotelett erziele der Erzeuger 0,31 Euro und beim Mischbrot bekomme der Landwirt für ein Kilogramm 0,20 Euro. „Wer Lebensmittel liebt, verramscht sie nicht“, betont der BBV.

Aldi hat „großes Verständnis“

In einer Stellungnahme zu den Protesten betont Aldi, dass die Unternehmensgruppe „großes Verständnis für die Situation der Landwirte“ habe: „Uns ist bewusst, dass sich die Nutztierhaltung in Deutschland in einem Transformationsprozess befindet, der in den kommenden Jahren große Veränderungen und Herausforderungen mit sich bringen wird.“ Die Bayern seien „mit die wichtigsten Partner bei der Umsetzung dieser Transformation“, schreibt Aldi. Deshalb werde man weiterhin „einen konstruktiven und partnerschaftlichen Dialog mit allen landwirtschaftlichen Vertretern führen, die diesen Weg gemeinsam mit uns gehen möchten“. Außerdem werde man sich dafür einsetzen, dass der Transformationsprozess für alle Beteiligten zufriedenstellend verlaufe. Dazu solle auch der Ausbau der Tierwohl-Haltungsformen drei und vier im Frischfleisch- sowie im Milchsortiment beitragen.

Schon heute erziele Aldi 15 Prozent seines Frischfleisch-Umsatzes und mehr als 25 Prozent des Trinkmilch-Umsatzes mit den Haltungsformen drei und vier. Bei der Frischmilch betrage dieser Anteil bereits über 50 Prozent. Rund 85 Prozent der Frischfleischprodukte stammten schon heute von Lieferanten und Erzeugern, die in Deutschland ansässig seien, informiert das Unternehmen. Bei der Milch sei dieser Anteil noch höher. Ab 2024 werde man nur noch Milch aus deutscher Herkunft beziehen. Damit biete man „einen starken, langfristig verlässlichen Absatzkanal für deutsche Tierwohlware“.

Komplexe Lieferkette

Wegen der höheren Kosten der Landwirte könne es Fleisch und Milch aus Tierwohl-Haltungsformen nicht zum Preis von konventioneller Ware geben, erklärt Aldi. Als Handelsunternehmen sei man aber „Teil einer komplexen Lieferkette“. Außerdem würden viele landwirtschaftliche Produkte international gehandelt und unterlägen deshalb starken Preisschwankungen. Darüber hinaus müsse sich auch der Lebensmittelhandel nach Angebot und Nachfrage auf dem Markt richten. „Wie hoch der Auszahlungspreis an die Landwirte letztlich ist, können wir – durch das Kartellrecht festgelegt – nicht unmittelbar beeinflussen“, argumentiert das Unternehmen. Erste Ideen aus dem Agrar-Dialog für abgestimmte Preissetzungen entlang der Lieferkette habe das Bundeskartellamt im Hinblick auf den Verbraucherschutz abgelehnt. „Dennoch ist es aus unserer Sicht der richtige Schritt, dass die gesamte Lieferkette an einem Strang zieht, um existenzsichernde Erlöse für die deutsche Landwirtschaft trotz der steigenden Anforderungen sicherzustellen“, so Aldi. Preisaufschläge im Handel allein reichten angesichts der komplexen Marktstrukturen aber nicht aus, damit mehr Geld bei den Landwirten ankomme. „Vielmehr kann nur die Politik die nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, um die laufende Transformation in geordnete Bahnen zu lenken und den landwirtschaftlichen Betrieben über Jahre hinweg finanzielle Sicherheit zu geben“, erklärt das Unternehmen. Darüber hinaus weist es darauf hin, dass man bei Schweinefleisch auf Neuausschreibungen verzichtet habe, trotz deutlich gefallener Preise in diesem Bereich. Momentan zahle Aldi sogar 15 bis 20 Prozent über dem aktuellen Schweineauszahlungs-Preisniveau.