Tiefstes Karstloch im Meer Taam Ja‘ – das tiefste Blue Hole der Welt liegt in Mexiko

Markus Brauer
Great Blue Hole: Das berühmte Große Blaue Loch ist eine runde unterseeische Doline vor der Küste des mittelamerikanischen Staates Belize. Foto: U. S. Geological Survey (USGS)

In Mexiko liegt das bisher tiefste bekannte Blue Hole der Welt, wie neue Messungen zeigen. Das Taam Ja‘ Karstloch an der Küste Yucatans reicht mindestens 420 Meter hinab. Und sein Grund ist damit noch nicht erreicht. Über eine Expedition in unbekannte Regionen.

 
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Die Schwäbische Alb, der Balkan oder die Yucatan-Halbinsel: Viele Karstgebiete auf der Erde sind wie ein Schwamm von Höhlen, unterirdischen Flussläufen und Einsturzlöchern durchdrungen. Durch einsickerndes Wasser haben sich dort im Laufe von Hunderttausenden von Jahren zahlreiche Hohlräume in das weiche Kalkgestein gegraben.

Auf Yucatan sind dadurch viele Cenoten entstanden – kreisrunde, mit Süßwasser gefüllte Sinklöcher, die den Maya als heilige Eintrittspforten in die Unterwelt galten.

Scuba Diving in der berühmten Cenote von Tulum auf Yucatan in Mexiko. Foto: Imago/Abacapress
Die Cenotes in Yucatán stehen mit dem vermutlich größten zusammenhängenden Unterwasserhöhlensystem in Verbindung. Die beiden bisher längsten Systeme (Sac Actun mit 379 Kilometern und Ox Bel Ha mit 347 Kilometern) sind über mehr als 150 Cenotes zugänglich. Foto: Imago/Abacapress
Cenote von Uku Cusam im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo. Foto: Imago/Westend61

Ein Loch in der Lagune von Chetumal Bay

Vor einiger Zeit haben Taucher Taam Ja‘ Blue Hole auf Yucatan entdeckt. Das Karstloch befindet sich am Grund der Chetumal Bay, einer Lagune an der Grenze zwischen Mexiko und Belize.

Als Forscher im Jahr 2023 erstmals versuchten, das Karstloch mittels Echolot zu messen, kamen sie auf eine Tiefe von 274 Meter. Damit galt das Taam Ja‘ Blue Hole nach dem rund 300 Meter tiefen Sansha Yongle Dragon Hole (Drachenloch) bei den Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer als das zweittiefste Blue Hole auf dem Planeten.

Das Yongle Blue Hole (Drachenloch) auf Xisha Islands, chinesische Provinz Hainan Foto: Imago/China Photo Press
Lage des Taam Ja’ Blue Hole in der Brackwasser-Lagune Chetumal Bay (gr. Bild li.)und Aufnahmen von Tauchern aus fünf, 20 und 30 Metern Tiefe (Bilder re.). Foto: © Ecosurmix

„Echosounding-Methoden in komplexen Umgebungen wie den Blue Holes oder Sinklöchern haben häufig Probleme“, erklären Juan Carlos Alcerreca-Huerta vom Forschungszentrum Ecosur in Chetumal und seine Kollegen.

„Zudem konnte die anfängliche Erkundung nicht den Grund des Lochs ausmachen“, so die Forscher. Dadurch blieb unklar, wie tief das Taam Ja‘ Blue Hole tatsächlich ist.

Taam Ja‘ Blue Hole wird neu ausgemessen

Um die tatsächliche Tiefe zu klären, haben Alcerreca-Huerta und sein Team das Taam Ja‘ Blue Hole noch einmal genauer inspiziert. Nach einigen Tauchgängen im oberen Bereich des Karstlochs ließen sie einem Boot aus einen CTD-Profiler – eine mit Sensoren für Wasserdruck, Temperatur und Leitfähigkeit bestückte Tauchsonde – an einem 500 Meter langen Kabel in die blaue Tiefe hinab.

„Ziel war es, mithilfe der neuen CTD-Messungen die Echo-Sounding Ergebnisse zu überprüfen und gleichzeitig nach dem Grund des Lochs zu suchen“, schreiben die Forscher.

An einer 500 Meter langen Leine vor senkrechten Kalksteinwänden hängt das Messgerät, mit dem Forscher das Taam Ja’ Blue Hole in Mexiko vermessen haben. Foto: © Alcerreca-Huerta et al/Frontiers in Marine Science/CC-by 4.0

Nach 420 Metern ist noch kein Grund zu sehen

Entgegen den ersten Sonardaten zeigte sich, dass das Blue Hole eine Tiefe von mehr als 420 Metern hat. „Damit etablieren diese neuen Resultate das Taam Ja’ Blue Hole eindeutig als das tiefste Blue Hole der Welt. Und noch immer wurde der Grund nicht erreicht“, schreiben Alcerreca-Huerta und seine Kollegen in ihrer Studie, die im Fachmagazin „Frontiers in Marine Science“ erschienen ist.

Die Messungen lieferten zudem Hinweise auf noch unentdeckte Verbindungsgänge am Grund des Blue Hole. Das Karstloch im mexikanischen Chetumel ist damit mehr als 100 Meter tiefer als der bisherige Rekordhalter, das Drachenloch in China.

Unterirdischer Zufluss zum Karibischen Ozean

In den oberen Wasserregionen von Taam Ja’ war das Brackwasser deutlich wärmer als in den tieferen Regionen, wo das Tiefenwasser kühler und salziger ist. In einer Tiefe von rund Metern wird das Wasser plötzlich wieder wärmer.

„In diesen Tiefen nähern sich die Wasserbedingungen des Taam Ja’ Blue Hole denen des Karibischen Meeres an“, erklären die Forscher. „Dies könnte darauf hindeuten, dass es noch unentdeckte Verbindungen zum Meerwasser der Küstenlagune oder dem mesoamerikanischen Barriereriff-System gibt.“ Am Grund des Karstlochs könnte es demzufolge unterirdischen Zufluss zum Ozean geben.

Zudem könnte sich in den Tiefen des Taam Ja’ Blue Hole eine noch unentdeckte Artenvielfalt verbergen, die in Verbindung mit den physikochemischen und geomorphologischen Prozessen ein einzigartiges Biotop bilden könnte, schreiben die Wissenschaftler.

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