Das Ukraine-Tagebuch „Selenskyj ist so beliebt wie nie zuvor“

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus ist seit Wochen bei seiner Tochter Sofia und der deren Mutter in der Ukraine (wir berichteten). Von dort schildert schildert er uns regelmäßig, wie sich das Leben im Krieg täglich verändert.

 
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Thomas Simmler Foto: privat

„Seit drei Tagen erleben wir Luftalarm. Manchmal tagsüber, dann wieder nachts. Es dauert oft mehrere Stunden. Was dabei genau passiert, erfahren wir immer erst viel später. Offenbar haben die Russen jetzt erstmals den Bahnhof von Saporischschja angegriffen. Und gestern Nacht haben sie ein Tanklager 30 Kilometer von uns entfernt in die Luft gesprengt. Jetzt haben die Menschen hier Angst, dass das Grundwasser verseucht ist. Wie man so hört, sind aber viele russische Soldaten aus Saporischschja abgezogen, auch wenn sie das Atomkraftwerk kontrollieren.

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Wir haben in unserem Haus zum Glück einen Keller. Dort ist jetzt alles Wichtige. Computer, alle wichtigen Dokumente, Lebensmittel, 20 Liter Wasser in Plastikkanistern. Manchmal sind wir bei den Luftangriffen in den Keller, manchmal aber auch nicht. Das ist vielleicht schwer zu verstehen, aber man wird müde und irgendwann auch ein bisschen gleichgültig.

Im normalen Leben ist es so: Du arbeitest tagsüber, hast viel Stress. Am Abend kommst du zur Ruhe, sprichst mit der Familie über das, was dich bewegt und was du erlebt hast und baust damit den Stress ab. Jetzt ist es so, dass dieses Gefühl nie weggeht. Immerzu Druck und Stress.

Umso wichtiger ist für die Menschen, dass sie einen Präsidenten wie Selenskyj haben. Von wegen Komiker und so. Viele Ukrainer waren anfangs skeptisch, als er gewählt wurde. Aber jetzt: Er hat 100 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung. Und: Er trägt dazu bei, dass die Ukrainer jetzt wirklich ein Volk sind. Ich war vor eineinhalb Jahren in einem Kurort im Westen des Landes. Da haben sie mit Blick auf die im Osten gesagt: Ach, diese Russen! Jetzt sagt das niemand mehr. Jetzt halten die Ukrainer zusammen wie nie zuvor. Das hat Putin nicht geglaubt. Und das war sein größter Fehler.

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit mehreren Wochen in der Südost-Ukraine auf. Das Atomkraftwerk Saporischschja, das größte Europas, ist keine zehn Kilometer entfernt. Es ist inzwischen unter Kontrolle der Russen.