Kontrollen Bayern entwaffnet Reichsbürger

und Frederick Mersi
Bayern hat 911 Schusswaffen eingezogen. Foto: imago images/Rech/rech via www.imago-images.de

Der Freistaat hat bereits mehr als 900 Schusswaffen eingezogen. Das Innenministerium kündigt an, das Tempo noch zu erhöhen.

 
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Bayerische Sicherheitsbehörden haben bis Mitte des Jahres sogenannten Reichsbürgern im Freistaat 911 Schusswaffen weggenommen. Dazu zählten sowohl Fälle, in denen die Behörden Waffenscheine und Besitzkarten widerrufen haben, als auch solche, in denen Menschen vor diesem Schritt freiwillig auf ihre Erlaubnis verzichtet hätten, teilte das Innenministerium am Montag in München mit. Insgesamt gehe es um 477 Waffenerlaubnisse.

Hinzuzurechnen sind die Beschlagnahmungen illegaler Waffen. So wurde bei einer Hausdurchsuchung im Auftrag des Generalstaatsanwalts Koblenz in einem Pottensteiner Ortsteil im April dieses Jahres eine illegale Schusswaffe bei Peter W. sichergestellt. Der 54-jährige ehemalige Fallschirmjäger gilt inzwischen als einer der führenden Köpfe der in der vergangenen Woche zerschlagenen Verschwörung von Reichsbürgern. Die Durchsuchung im Frühjahr stand im Zusammenhang mit einer geplanten Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach. Der Inhaber einer Survival-Schule mit heutigem Sitz in Fichtelberg war damals angeblich nur als Zeuge geführt. Allerdings hörten die Behörden in der Folgezeit Telefonate ab, in denen Peter W. über Pläne zum gewaltsamen Sturm auf den Bundestag sprach. Sie gelten als ein Schlüssel zur Aufdeckung der gesamten Verschwörung.

Zum 30. Juni 2022 hätten laut bayerischem Innenministerium nur elf polizeibekannte mutmaßliche Reichsbürger im Freistaat waffenrechtliche Erlaubnisse gehabt. Bei den Betreffenden hätten die Behörden zu diesem Zeitpunkt schon Widerrufsverfahren eingeleitet oder diesen Schritt zumindest geprüft. Dennoch forderte Innenminister Joachim Herrmann am Montag nach der Großrazzia in der Reichsbürger-Szene mehr Waffenkontrollen im Freistaat. „Klar ist auf jeden Fall, die Zahl der Kontrollen muss erhöht werden“, sagte der CSU-Politiker in München. Es werde demnächst eine neue Empfehlung an die Oberbürgermeister und Landräte im Freistaat geben, wie sie „mit diesem Thema umgehen sollen“.

Herrmann hatte nach der Razzia mit vier Festnahmen in Bayern auch wiederholt gefordert, die Entwaffnung sogenannter Reichsbürger noch schneller voranzutreiben. Diese sei aber nicht in allen Fällen möglich, hieß es am Montag aus seinem Ministerium. Zum einen dürften Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zu den Betroffenen, die älter als fünf Jahre sind, nicht mehr für den Entzug der Waffenerlaubnis verwendet werden. Zum anderen werde der Verfassungsschutz schon aktiv, wenn es „tatsächliche Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen gebe. Vor Gericht zählten aber nachprüfbare und in einem Prozess verwertbare Beweise, die ein Nachrichtendienst „naturgemäß“ nicht immer liefern könne.

Allerdings könne die Zugehörigkeit von Menschen zur Reichsbürger-Szene „in der Regel“ oft schon dadurch belegt werden, dass sie zum Beispiel im Antrag auf Erteilung von Ausweisdokumenten als Geburts-, Wohnsitz- und Aufenthaltsstaat zum Beispiel durchgehend „Königreich Bayern“ angeben und sich auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz „Stand 1913“ beziehen, teilte das Innenministerium mit. Nach Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs führten solche Angaben schon zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Das Innenministerium rechnete der Szene in Bayern derzeit rund 5200 Menschen zu. 2018 waren es nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz noch 4200 gewesen. Die Steigerung führte die Behörde vor allem auf Debatten über Corona-Schutzmaßnahmen zurück.

Bedarf für Gesetzesänderungen im Waffenrecht sieht das Innenministerium daher nicht. „Vielmehr geht es darum, dass alle Waffenbehörden in Deutschland die Entwaffnung von Reichsbürgern mit der notwendigen Priorität und dem gebotenen Nachdruck verfolgen.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich für schärfere Regeln aus. Im Bundestag berieten mehrere Ausschüsse über den Umgang mit rechten Terror-Netzwerken.

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