Kronach Ein Stück Heimat geht verloren

Gerd Fleischmann

"Moni‘s Backstübchen" in Reitsch schließt am 26. September seine Pforten. Damit endet eine über 100-jährige Bäckerei-Geschichte. Zum Bedauern vieler Kunden.

 
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Reitsch - Die Reitscher Bäckerei Scherbel in der Engelsgasse - in den vergangenen Jahren besser bekannt als "Moni’s Backstübchen", macht dicht. Letzter Verkaufstag ist Samstag, 26. September. Damit endet eine über 100-jährige Bäckertradition in dem Stockheimer Gemeindeteil.

Nach reiflicher Überlegung hat sich die 51-jährige Bäckerin Monika Gartner, geborene Scherbel, zu diesem drastischen Schritt entschlossen. Mehrere Gründe haben zur Geschäftsaufgabe geführt, unter anderem die Corona-Pandemie. Schließlich ist mit dem Bäckereibetrieb eine enorme Arbeitsbelastung verbunden. Zum Arbeitsalltag zählte bisher eine 15-Stunden-Arbeitsschicht. Ein solcher Einsatz zehrt an der Substanz, ist sich Monika Gartner bewusst. Deshalb zog sie schweren Herzens die Reißleine, um demnächst in einen normalen Arbeitsalltag mit acht Stunden zu starten.

Viele Kunden aus der Großgemeinde Stockheim sowie aus dem Landkreis Kronach werden diese anheimelnde Bäckerei vermissen. Schließlich setzt Monika Gartner auf traditionelle Backkunst. Ihren Beruf übt sie mit großer Leidenschaft aus - vor allem dann, wenn es um Amaranth geht. Das Power-Korn aus Mittelamerika - einst Hauptnahrungsmittel der Inkas und Azteken - fand bis dato begeisterte Anhänger aus dem Kreis der Kundschaft. Nicht von ungefähr sind ihre Körner- und Bauernsemmeln begehrt. Besonders freute sich der "Reitscher Körnerfreak" über die künstlerische Anerkennung der achtjährigen Zoe Hader aus Stockheim mit Gemäldeeinlagen: "Moni hat die besten Semmeln auf der ganz Welt", schrieb das Mädchen begeistert. Gerne gingen vor allem die Kinder bei "der Moni" ein und aus, denn es gab immer wieder als Zugabe Leckereien.

Vor sieben Jahren entschloss sich Monika Gartner, das Erbe ihrer Eltern weiterzuführen. Letztlich war sie immer in die Bäckerei ihres Vaters Hans Scherbel eingebunden - von Kindheitstagen an. "Ich war diejenige von uns drei Geschwistern, die ihr Zimmer über der Backstube hatte, und ich bin sehr oft runter zu meinem Vater und habe zugesehen oder mitgeholfen", erinnert sie sich. So war es nicht verwunderlich, dass sich Monika Gartner für eine Bäckereilehre entschied. "Ich habe in Steinbach am Wald bei den Fiedlers gelernt, es war eine schöne Zeit und wir haben heute immer noch Verbindung", schwärmt die 51-Jährige.

Im November 2013 entschied sie sich, den früheren Kolonialwarenladen und die Bäckerei in vierter Generation zu übernehmen. Als "Körnerfreak" setzte sie vor allem auf die unterschiedlichsten Körnerbrötchen. Ihre Devise zum Start in die Selbstständigkeit: "Ich verwende keine Fertigmischungen, stelle keine Massenware her und möchte mich mit meinem Angebot abheben." Auch süße Teilchen hat Monika Gartner im Angebot, und zwar solche, in denen man die Füllung nicht suchen musste. Die Bestätigung bekam sie von begeisterten Rückmeldungen.

Mit dem 26. September endet in Reitsch eine Bäckerei mit Tradition und Charme, in der das Persönliche - auch der Plausch mit den Kunden - im Vordergrund stand. Und bei ihr wurde auch noch ausgeliefert, wenn jemand, der nicht mobil ist, Brot, Brötchen oder andere Backwaren brauchte.

Mit dem Aus der Bäckerei endet eine besondere Zeit, die geprägt ist von Individualität und Menschlichkeit. "Moni’s Backstübchen" ist, und darüber sind sich viele treue Kunden einig, so etwas wie ein Stück Heimat gewesen.

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