Medien mutmaßen in Spanien, dass Sánchez die Abstimmungspleiten dieser Woche in Kauf genommen hat, weil er glaubt, dass seine Partei bei einer Neuwahl noch besser als im April abschneiden würde. Da könnte er sich aber irren. Das meinen nicht nur die politischen Gegner des Sozialisten, die - wie der Generalsekretär der konservativen Volkspartei PP, Teodoro Garcia Egea - sagten, Sánchez habe bewiesen, dass ihm "nicht über den Weg zu trauen" sei.
Aber auch einige, die der PSOE nahestehen, glauben, dass die Rechnung nicht aufgehen könnte. PSOE und UP hätten in "höchst unverantwortlicher Form eine historische Chance verpasst", eine progressistische Regierung zu bilden, sagte der Generalsekretär des größten Gewerkschaftsverbandes CCOO, Unai Sordo, und warnte vor einem "grauenvollen Szenario". Er habe mit Wählern beider Lager gesprochen, die wegen der "unseriösen Koalitionsverhandlungen" über eine Abstrafung nachdenken.
Apropos Koalitionsverhandlungen - worum ging es da eigentlich genau? Das Linksbündnis UP, das als viertstärkste Kraft aus der Neuwahl hervorgegangen war, wollte Sánchez keinesfalls ohne Gegenleistung ins Amt verhelfen und hatte auf mehrere Ministerposten gepocht. Schließlich hatten sich beide Seiten auch etwas aufeinander zubewegt. Während Sánchez jedoch nur Ressorts von nebensächlichem Rang offerierte, wollte UP mehr, so vor allem das Arbeitsministerium - das die PSOE aber nicht hergeben wollte.
UP-Chef Pablo Iglesias kritisierte bei einer Rede im Parlament Sánchez' Verhalten als "respektlos" und "schäbig" und betonte: "Wir wollen Kompetenzen, nicht nur Sessel." Ein Podemos-Sprecher wurde noch deutlicher: "Wir wollten das Gästezimmer und haben die Hundehütte angeboten bekommen."
Hätten sich PSOE und UP geeinigt, so hätte Spanien - in dem lange ein Zweiparteiensystem herrschte - die erste Koalitionsregierung seit dem Ende der Franco-Diktatur vor vier Jahrzehnten bekommen. Was nicht ist, kann aber noch werden: Immerhin hat Sánchez ja noch zwei weitere Monate Zeit, um eine Regierung auf die Beine zu stellen. Gelingt dies nicht, folgt das, was die Spanier schon kennen: Ein weiterer Ruf zu den Urnen - mit dem vorprogrammierten Dilemma, dass wegen der starken Zersplitterung der Stimmen wieder ein "Bloqueo" droht.