U-18 Wahl in Coburg AfD drittstärkste Kraft

Bei der U-18-Wahl in Coburg Stadt und Land erhalten die Rechtspopulisten fast 20 Prozent der Stimmen und liegen weit vor den Grünen. Wie ordnen SPD und Grüne diese Tendenz ein?

 
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Es ist ein Paukenschlag: Nachdem am Wochenende die Ergebnisse der U-18 Wahl veröffentlich wurden, steht fest, dass die AfD sowohl bei der Landtags- als auch bei der Bezirkstagswahl der unter 18-Jährigen in Coburg Stadt und Land als drittstärkste Kraft ausgezählt wurde. Während die CSU mit 31 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl die meisten Probewähler auf sich vereinigen konnte, folgt auf Platz zwei die SPD mit 21,9 Prozent und – nur knapp dahinter– die AfD mit 19,4 Prozent. Die Grünen erhielten lediglich 9,6 Prozent. Bei der Bezirkstagswahl schnitten die Parteien ähnlich ab; auch hier liegt die CSU vorne (33,3 Prozent), gefolgt von der SPD (20 Prozent) und der AfD (19,7 Prozent). Die Grünen erreichten auf Bezirksebene 11,3 Prozent.

Für Stefan Sauerteig, den Direktkandidaten der SPD in Stadt und Landkreis Coburg ist das Ergebnis der U18 Wahl zunächst „ein toller Motivationsschub“. Der Politiker weiter: „22 Prozent sind für mich ein hervorragender Startschuss für ein engagiertes Wahlkampffinale.“ Besonders erfreulich sei, dass es im Wahllokal der Stadt Coburg sogar gelungen sei, mit knapp 31 Prozent der Erststimmen den Spitzenplatz zu erringen. Mit Blick auf die AfD betont Stefan Sauerteig jedoch: „Die Ergebnisse der U-18 Wahl sind aber auch ein Auftrag, aktiv gegen Rechtspopulismus und Ausgrenzung zu kämpfen. Es ist ein Auftrag, Politik und politische Entscheidungen stärker zu erklären und Zusammenhänge aufzuzeigen.“ Gerade zu den drängenden Fragen der Jugend – von der Bildungspolitik bis hin zum Klimaschutz – gäbe es „seitens der selbsterklärten Alternative nur Anklagen und Aufzählungen von vermeintlichen Problemstellungen“.

Sauerteig kritisiert daher: „Lösungsansätze sucht man bei dieser Partei vergebens. Genau das ist aber der Auftrag, den wir Politiker haben - Rahmenbedingungen für eine gute Zukunft für unsere Kinder und Jugendlichen zu schaffen. Dafür werbe ich in den kommenden Tagen bis zum 08. Oktober. Mit Anstand und Haltung.“

Mit Sorge betrachtet auch Andreas Kleist das Erstarken der AfD. Er sitzt als Beistand im Kreisvorstand der Grünen Coburg Land und beobachtet seit 1982 sämtliche Wahlbewegungen genau. „Ich war schon immer mathematisch interessiert und versuche so zu verstehen, was die Leute bewegt“, sagt er dazu. Auch die aktuellen Ergebnisse der U-18 Wahl hat Andreas Kleist sich angeschaut und meint: „Das sind sehr gefährliche Tendenzen in unserer Gesellschaft.“ So sei es wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder sich bei ihrer Wahlentscheidung meist an den Eltern orientieren – „und eben wählen, was die Eltern auch wählen.“ Die Ergebnisse seien – aus Sicht der Grünen – insgesamt „unangenehm“, würden aber den Ansichten der Bevölkerung insgesamt entsprechen. „Und auch die ländliche Bevölkerung tendiert ja eher zu konservativen Ergebnissen“, so Andreas Kleist weiter.

Hinzu komme, dass nach seiner Erfahrung die Jugend eher extrem wähle. „Wir als Grüne haben nun nicht mehr solch eine radikale Position, seit wir auch staatstragend sind. Dann träumt die Jugend von einer anderen Gesellschaft und wählt eben auch nicht die Partei, die gerade regiert“, erläutert er. Wie sich die Parteipräferenz der jungen Menschen ändern oder beeinflussen lasse, kann auch er nicht genau sagen; nur so viel: „Es dauert lange, bis sich Parteipräferenzen verschieben. Das ist ein schwieriger Prozess. Das braucht lange Jahre.“ Was Coburg betreffe, so gebe es in der Vestestadt „immer noch Familien ehemaliger Gauleiter – und die Wähler sind die Enkel und Urenkel dieser Familien“.

Für Sebastian Stamm von der Koordinations- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Coburg ist die U-18 Wahl – ungeachtet des Ergebnisses – ein wichtiger Faktor. „Es soll Kindern und Jugendlichen aus der Umgebung die Möglichkeit gegeben werden, sich aktiv mit demokratischen und politischen Abläufen zu beschäftigen, mit zu diskutieren und sich mit der Stimmabgabe Gehör zu verschaffen, seine eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen“, erläutert er. Durch die Wahlsimulation sollten zudem auch Kenntnisse bei Recherche und Meinungsbildung für die Nutzung des Wahlrechts trainiert werden. „Es ist die Möglichkeit, eine eigene Meinung, eine Zukunftsvision und auch Fragen zu entdecken“, so Sebastian Stamm.

Deshalb habe im Vorfeld zur Wahl eine Jugenddiskussion mit den Landtagskandidaten stattgefunden. „Hier standen jugendpolitische Themen im Mittelpunkt und erfreulich viele Jugendliche nutzten im Anschluss an die Diskussion die Gelegenheit, bei einem Stück Pizza weiter engagiert mit den Politikern zu diskutieren“, blickt Stamm zurück. Bei der U-18 Wahl gebe es zudem die Möglichkeit, sich an Stellwänden weiter über die Themen der Wahl und die Wahlordnung zu informieren. „Ganz bewusst sind hier auch jugendliche Ehrenamtliche im Einsatz und unterstützen die Aktion.

So können im Peer-to-peer Gespräch Fragen zum Ablauf der Wahl geklärt werden“, erläutert Stamm. 120 jugendliche Helfer konnten für den Raum Coburg gewonnen werden. Sie halfen mit Stimmzetteln, Wahlurnen und einer originalen Wahlkabinen. „So war alles so realistisch wie möglich“, freut sich Stamm. Ziel sei es, politisches Interesse bei den Jugendlichen zu entwickeln und gleichzeitig die Möglichkeit zu bieten, dass Minderjährige sich selbstbestimmt und selbstbewusst politisch ausdrücken können. Oder, wie Stamm es formuliert: „Es geht um das Wachsen des Wissens zu politischen Prozessen durch Erleben.“

Marcel Renner, Pädagogischer Leiter der Evangelischen Jugendbildungsstätte Neukirchen, freut sich, dass in diesem Jahr so viele Kinder und Jugendliche an der U-18 Wahl im Coburger Land teilgenommen haben. „Kinder und Jugendliche interessieren sich für die Politik und wollen ihre Meinung kundtun“, meint er. Und: „Junge Menschen wollen über ihre Zukunft mitentscheiden. Wer ihr politisches Interesse entfachen und erhalten will, muss sie auch an der politischen Willensbildung teilhaben lassen. Bis zu einer Wahlalterabsenkung bieten wir jungen Menschen mit der U18-Wahl dafür eine attraktive Alternative.“

Organisiert wird die Wahl vom Arbeitskreis „Die Couch kommt“, einer Vereinigung, die seit 2017 versucht, politische Bildung in der Region auf innovative Art voranzubringen. Zum Arbeitskreis gehören die Kommunale Jugendarbeit Stadt und Landkreis Coburg, der Kreisjugendring und Stadtjugendring Coburg, die Partnerschaft für Demokratie Stadt und Landkreis Coburg, der Bund Katholischer Jugend (BDKJ), die Evangelische Jugend im Dekanat (ejott) und die Evangelische Jugendbildungsstätte Neukirchen.

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