Wie kam es überhaupt zu dieser thematischen Selbstbeschränkung?
Renz: Als wir die ersten Songs aufnahmen, ragten jene Stücke besonders heraus, die mit Liebe zu tun hatten. Also haben wir beschlossen, uns ganz auf Liebesgeschichten zu konzentrieren, was uns wiederum dazu inspiriert hat, auch andere Nummern wieder reinzuholen, die wir eher außerhalb gesehen hätten, die aber die Liebe aus anderen Perspektiven betrachten.
Das Album beginnt mit „Ich liebe mich“, einer Ode an die Selbstliebe.
Boris: Richtig. Klingt nach einer Plattitüde, aber stimmt: Wenn man Schwierigkeiten hat, sich selbst zu mögen, hat man auch Probleme, andere Menschen zu mögen.
Björn: Der Song ist leichtfüßiger, als es den Anschein hat. Ein schweres Thema lässig vorgetragen.
Sind Sie soweit zufrieden mit sich?
Boris: Völlig frei von Selbstzweifeln und Optimierungsgedanken sind wir nicht. Doch gerade im Internet muss man manchmal bewusst gegensteuern und Sachen ausblenden und ignorieren, damit sie einen nicht verrückt machen.
Björn: Zu denen, die sich in den sozialen Medien toller darstellen als sie sind, gehören wir nichtt.
Renz: Es gibt so eine Stimme, die einem zuflüstert: „Du bist uncool, lahm, alt, unfunky“. Diese Stimme sollte man nicht füttern. Ich spüre immer einen wahnsinnigen Sog, alles, was im Netz über uns steht, aufzusaugen. Dann gebe ich mir einmal so eine Überdosis, bevor ich merke, das tut mir nicht gut.
In „Deine Mama“ rappt ihr darüber, lieber mit den Müttern als mit den Töchtern ins Bett zu wollen. Aus welcher Laune heraus ist der Song entstanden?
Boris: Wir wurden so ab Ende 30 oft auf unser Alter angesprochen. So nach dem Motto „Wie lange könnt ihr das noch machen?“ oder „Ist Rap in eurem Methusalem-Alter überhaupt noch angemessen?“. Da muss man sich erst Mal dran gewöhnen, und jetzt ist die Zeit gekommen, wo wir humorvoll mit diesem Thema umgehen können. Also singen wir nicht, dass wir alt geworden sind, sondern dass die Frauen, auf die wir stehen, jetzt älter sind.
Renz: Die Mutter kommt im Hip-Hop ja oft schlecht weg. Dem wollen wir entgegenwirken.
Boris: Die Beleidigung „Ich ficke deine Mutter“ nehmen wir in diesem Fall wörtlich (lacht).
Ist man irgendwann alt genug dafür, dass einem das Alter egal ist?
Boris: Die Fantastischen Vier sind noch viel älter als wir. Jay Z ist in unserem Alter – und mit Beyoncé zusammen!
Renz: Oder unsere Idole von De La Soul. Auch die zwei verbliebenen Beastie Boys sind in allen Ehren ergraut.
Boris: Unser Alter sagt über die Qualität und die Freshness unserer Musik relativ wenig aus.
„Lovestory“ klingt jedenfalls nicht wie eine Altherrenplatte, sondern fast schon ungestüm.
Björn: Während der Beschäftigung mit unserem Frühwerk haben wir versucht, herauszuhören, was damals schon gut an uns war, als wir noch nicht so viel nachgedacht, sondern einfach gemacht und unseren Hobby gefrönt haben. Wir waren selbst überrascht, wie viele Songs von damals immer noch geil sind.
Boris: Und so hat auf subtile Art ein gewisses klassisches Fettes-Brot-Feeling den Weg auf das neue Album gefunden.
Finden Sie Ihren wohl größten Hit „Jein“ zum Beispiel noch cool?
Boris: Ja, den müssen wir einfach lieben. Schon allein, weil so viele Leute diesen Song verehren und wir ihm unheimlich viel zu verdanken haben.
Björn: Wir sind heute selbst von der Magie dieses Liedes begeistert und blicken mit Hochachtung auf ein Werk, das wir heute so nicht mehr hinkriegen würden. „Jein“ war ein kleiner Geniestreich. Darin nehmen wir ja das große Dilemma der heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorweg, die sich irgendwie entscheiden müssen, sich dann aber nur für das Verharren in der Entscheidungslosigkeit entscheiden.
„Du driftest nach rechts“ ist die am deutlichsten politische „Lovestory“. Zu einem Disco-Beat im Stile von Nile Rodgers geht es um ein Paar, das sich entfremdet, weil ein Partner politisch abgleitet. Wie soll man in so einem Fall reagieren?
Renz: Man sollte so eine Entwicklung nicht aussitzen. Sondern die Dinge deutlich ansprechen, sich mit dem Partner oder der Partnerin auseinandersetzen und notfalls trennen, wenn eine gemeinsame Wertebasis nicht mehr da ist.
Haben Sie Freunde, die politisch rechts denken?
Boris: Uns ist das Phänomen, das Leute aus dem näheren und weiteren Umfeld plötzlich und speziell in den letzten zwei, drei Jahtren mit kruden Theorien und merkwürdigen Meinungen um die Ecke kommen, durchaus bekannt. Aber rechte Freunde? Das würde ich verneinen.
Renz: Der Song beschreibt letztlich das Phänomen, dass man in seiner linkeren Blase sitzt und merkt, wie das rechte Gedankengut näherkommt. Früher hockten die Nazis klar erkennbar am Bahnhof herum, heute wird eigentlich Unsagbares auch wieder von scheinbar bürgerlichen Leuten gesagt. Das bezieht sich nicht nur auf rechte, sondern auch auf frauenfeindliche und homophobe Gedanken. Ich höre oft Sachen, wo ich denke „Wier waren schon mal weiter“.
Sie halten mit „Opa und Opa“ dagegen, einer schönen Liebesgeschichter zweier Männer, die zusammen alt geworden sind.
Björn: Die beiden haben auch viele Situationen überstanden, die nicht so schön waren. Sie mussten mehr hindernisse überwinden als das durchschnittliche heterosexuelle Paar. Trotz allem war es ein gelungenes Leben.
Haben Sie als Urgesteine eigentlich noch den Überblick über die unzähligen Deutschrapper, die seit geraumer Zeit die Charts dominieren?
Ja und nein. Immer wieder sind relativ neue Leute dabei, die einen begeistern. Trettmann zum Beispiel fanden wir schon immer gut, und wir freuen uns total darüber, dass er sich so gut entwickelt. Viele andere dieser Rapper erzählen jedoch so einen Müll, dass wir gar keine Lust hätten, sie kennenzulernen.
Fettes Brot auf Tour
Die deutsche Hip-Hop-Gruppe tritt am 24. Oktober um 20 Uhr in der Heinrich-Lades-Halle in Erlangen auf. Karten sind im Ticketshop unserer Zeitung erhältlich.