Kronach Rohstoff ohne Rauschwirkung

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Auf diesem Feld am Kreuzberg in der Nähe von Unterrodach baut Biolandwirt Peter Heller seit diesem Jahr Nutzhanf an. Die auffälligen Pflanzen locken offenbar nicht nur botanisch interessierte Zeitgenossen an. Wer allerdings auf eine günstige Quelle für einen Joint hofft, wird enttäuscht sein: Der THC-Gehalt der Pflanzen liegt unter 0,2 Prozent, die Rauschwirkung ist also gleich null. Foto: Brigitte Degelmann

Landwirt Peter Heller baut heuer erstmals Hanf an - und zwar ganz legal. Denn für Joints eignen sich seine Pflanzen nicht. Dafür aber für jede Menge andere Zwecke.

 
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Unterrodach - Beim Anblick dieser Pflanzen dürften manche Spaziergänger ins Grübeln kommen: krautige Gewächse, deren schmale Blätter mit den fein gezackten Rändern handförmig zusammengesetzt sind. Kein Zweifel - hier, auf einem Feld am Kreuzberg in der Nähe von Unterrodach, wächst Hanf. Eine illegale Cannabis-Plantage unter freiem Himmel? Nein, lacht Biolandwirt Peter Heller: "Das ist Nutzhanf."

Uso-31 nennt sich die Sorte, die er hier sowie auf einem weiteren Feld in der Nähe von Zeyern kultiviert. Eine von 49 Hanfsorten, deren Anbau derzeit in Deutschland erlaubt ist, weil ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) unter 0,2 Prozent liegt. Oder einfacher gesagt: Die Rauschwirkung ist gleich null. Wer auf eine günstige und nahe Quelle für den einen oder anderen Joint gehofft hat, wird enttäuscht werden. "Es macht keinen Sinn, das Zeug abzubrechen und zu mopsen", erklärt Heller. "Da kriegt man eher Durchfall davon als sonst was."

Dennoch locken die auffälligen Pflänzchen offenbar nicht nur botanisch interessierte Zeitgenossen an. Der Jagdpächter habe ihm erzählt, dass auf dem Zufahrtsweg zeitweise reger Verkehr herrsche, schmunzelt der Biolandwirt: "Da fahren Leute rum, die da normalerweise nicht unterwegs sind, mit tiefergelegten Autos und so."

Auch wenn der Nutzhanf harmlos ist - ausgesät werden darf er nicht so ohne weiteres. "Die rechtlichen Hürden dafür sind relativ hoch", berichtet Heller. "Als normaler Hobbygärtner geht das nicht." Tatsächlich besagt das Betäubungsmittelgesetz, dass der Anbau von Nutzhanf "nur den Unternehmen der Landwirtschaft" erlaubt ist.

Doch auch als Landwirt muss man bestimmte Auflagen beachten. Zum Beispiel die Anbau-Anzeige bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) - mit Vorlage der Original-Etiketten des verwendeten Saatguts. Ebenso eine Erklärung über die entsprechenden Aussaatflächen. Nicht zu vergessen die Meldung, wenn die Hanfpflanzen zu blühen begonnen haben. Und: Mit der Ernte dürfen die Bauern erst dann beginnen, wenn sie ein entsprechendes Freigabeschreiben von der BLE erhalten haben - oder wenn Kontrollen beziehungsweise Probenentnahmen erfolgt sind. Bei solchen Überprüfungen können sogar Kamera-Drohnen eingesetzt werden, die die betreffenden Felder überfliegen, weiß der Unterrodacher Biolandwirt. Schließlich könnte ja jemand auf die Idee kommen, inmitten des - erlaubten - Nutzhanfes auf ein paar Quadratmetern illegale Sorten anzubauen. "Das fällt aber normalerweise auf - durch den unterschiedlichen Wuchs", sagt Heller. Insgesamt rund 150 Hektar bewirtschaftet der 34-Jährige. In diesem Jahr baut er erstmals auf fünf Hektar Nutzhanf an - am Kreuzberg sowie auf einem Feld in der Nähe von Zeyern. Jahrelang habe er schon mit dem Gedanken daran gespielt, erzählt er. Allerdings fehlte ihm ein Partner in erreichbarer Nähe, der sich um die Vermarktung kümmert. Den hat er inzwischen gefunden: ein Unternehmen im vogtländischen Zeulenroda, das in Sachen Nutzhanf noch mit zwei weiteren Betrieben aus dem Landkreis Coburg kooperiert. Der Clou dabei: Die Landwirte sorgen für die Bodenbearbeitung und den Anbau, doch um die Ernte, die voraussichtlich Mitte August ansteht, müssen sie sich nicht mehr kümmern. Das übernimmt ein Lohndrescher mit speziell umgerüsteten Maschinen. Mit normalen Mähdreschern sei den Pflanzen nämlich nicht beizukommen, weiß Heller: "Hanf ist eine Faserpflanze und die Fasern wickeln sich um sämtliche Lager der Maschinen."

Der Vorteil der großblättrigen Pflanzen: Sie sind robust, genügsam und gedeihen auch auf kargeren Böden noch relativ gut. Genutzt werden sie auf vielfältige Weise, erklärt der Biolandwirt. Aus den Körnern lässt sich beispielsweise ein hochwertiges Öl pressen. Die eiweißreichen Reste wiederum sind für die Lebensmittelindustrie interessant - als Bestandteil von Powerriegeln. Die Fasern in den Stängeln können zu Bau- und Dämmmaterial verarbeitet werden, zu Seilen, Planen, Teppichen und zu Kleidung. Auch in Fahrzeugen kommen die stabilen Pflanzenteile immer häufiger zum Einsatz, etwa für Hutablagen oder Dachhimmel. Für den holzähnlichen Rest der Stängel, die sogenannten Schäben, gibt es ebenfalls eine Verwendungsmöglichkeit: als Einstreumaterial für Tiere. Und was geschieht mit Blättern, Blütenresten und Stoppeln? "Die bleiben auf dem Feld", sagt Heller. "Das ergibt einen guten Dauer-Humus."

Zufrieden lässt er seinen Blick über den unteren Teil des Feldes am Kreuzberg schweifen. Sattgrün leuchten die etwa anderthalb Meter großen Pflanzen hier. Die extreme Trockenheit in den vergangenen Wochen hat ihnen offenbar kaum geschadet. "Die Kälte im Mai war nicht schlecht, weil man nicht so viel Wasser gebraucht hat", bilanziert der Landwirt. Anders sieht es im oberen Abschnitt des Feldes aus. Hier wirken die Pflanzen kümmerlicher. Vielleicht wegen des steinigeren Bodens, vermutet der 34-Jährige. Auf dem zweiten Feld bei Zeyern sieht es wieder besser aus.

Dass er den Nutzhanf auf zwei verschiedenen Standorten ausgesät hat, hat seine Gründe. Er wolle austesten, unter welchen Bedingungen die Pflanzen am besten gedeihen, sagt Heller. Hanf ist nicht die einzige Sonderkultur, die er in diesem Jahr ausprobiert. Auch Speiselinsen hat er ausgesät, ebenso weiße Süßlupinen - "die Sojabohnen des Nordens" -, Nackthafer und Nacktgerste sowie Speisesenf. Denn, schmunzelt er, "solche Versuche mag ich gern".

Es macht keinen Sinn, das Zeug abzubrechen und zu mopsen. Da kriegt man eher Durchfall davon als sonst was.

Landwirt Peter Heller über seinen Nutzhanf

Tradition

Hanf ist eine uralte Nutzpflanze. Schon vor Tausenden von Jahren wurden seine Samenkörner und Fasern genutzt, etwa in China, aber auch in Europa. Wegen seiner schmerzlindernden Wirkung wurde er ebenfalls geschätzt. Nicht nur für die Herstellung von Seilen, Segeltuch und Kleidung war Hanf wichtig, sondern auch für die Papierproduktion. Die berühmte Gutenberg-Bibel wurde 1455 ebenso auf Hanf gedruckt wie gut 300 Jahre später die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. (Quelle: wikipedia)

Anbau-Verbot

Dass Hanfpflanzen vom 19. Jahrhundert an mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt wurden, lag unter anderem an der wachsenden Verbreitung der Baumwolle - aber auch daran, dass sie wegen ihrer berauschenden Wirkung in Verruf gerieten. Von 1982 bis 1996 war der Anbau in Deutschland verboten, dann wurde er für Landwirte wieder erlaubt. Als Landwirt gilt man in der Regel dann, wenn man bei einer landwirtschaftlichen Alterskasse versichert ist. Für Hobbygärtner ist der Hanf-Anbau weiterhin tabu.

Rückgang

Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) sowie des Bundeslandwirtschaftsministeriums bauten 1997 in Deutschland 505 Betriebe Nutzhanf an und zwar auf einer Fläche von knapp 3000 Hektar. Die Zahlen sanken in den nachfolgenden Jahren jedoch kontinuierlich: 2005 waren es noch 275 Betriebe, die auf 2156 Hektar Nutzhanf kultivierten, 2014 wurden nur noch 100 Landwirte beziehungsweise 715 Hektar registriert.

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www.bmel-statistik.de

Exoten

Peter Heller weiß noch von einem weiteren Landwirt, der bei Wolfersgrün auf knapp einem Hektar Nutzhanf anbaut. Guido Winter, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kulmbach-Kronach, kennt aus der Region keine weiteren Beispiele: "Bei uns sind das Exoten. Aber ich bin froh über jeden, der den Mut hat, solche Experimente zu wagen. Man muss solche Dinge immer wieder mal ausprobieren, auch im Hinblick auf den Klimawandel und die Verschiebung der Vegetationsperioden."

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